Thin Lizzy Foto: Promo

Samstag im LKA - 25 Jahre nach dem Tod von Phil Lynott hat sich Thin Lizzy erneut reformiert.

Stuttgart - "The Boys Are Back In Town" - der Titel des bekanntesten Songs der irischen Rockband Thin Lizzy wird wieder wahr. Unter Leitung des US-Gitarristen Scott Gorham spielt die reformierte Gruppe an diesem Samstag im Stuttgarter LKA.

Mr. Gorham, wann kam Ihnen die Idee, es noch einmal mit einer neuen Besetzung von Thin Lizzy zu versuchen?

Lizzy-Gründer Phil Lynott war nicht einfach nur ein Musikerkollege, er war ein enger Freund von mir. Als er starb, habe ich mich in der Verantwortung gefühlt, mich um sein Vermächtnis zu kümmern. Darum bin ich in die Rolle des Initiators geschlüpft. Als solcher habe ich Entscheidungen getroffen, manche waren richtig, andere nicht. Diesmal fühlt es sich so an, als wäre alles richtig.

Was war der Ausgangspunkt?

Ich habe Drummer Brian Downey angerufen. Dass er als Gründungsmitglied dabei sein würde, war für mich essenziell. Er hatte Lust, und so kam die Sache ins Rollen.

Wieso haben Sie sich von dem langjährigen Sänger und Gitarristen John Sykes getrennt, der Phil Lynott stimmlich gut vertreten hat?

Das war genau das Problem: Er hat versucht, so zu singen wie Phil, bis hin zu Details in der Phrasierung. Außerdem kommt er eher aus dem Metal und hat die Band in diese Ecke gedrängt, obwohl Thin Lizzy dort nichts verloren haben. Es ist eine Hardrock-Band, und jetzt klingt sie wieder so und fühlt sich wieder so an. Was nicht heißt, dass wir jetzt leiser wären . . . (lacht)

Wieso ist Ihr kongenialer Gitarrenpartner Brian Robertson nicht dabei - und wieso haben Sie sich für Vivian Campbell entschieden?

Brian war natürlich unsere erste Wahl, aber er wollte nicht. Er hat ein Soloalbum gemacht und eine eigene Band. Von Vivian wussten wir, das er ein großer Thin-Lizzy-Fan ist, und er war sofort Feuer und Flamme. Er hat großen Anteil daran, dass wir die Band wieder zu ihrem ursprünglichen Sound zurückführen konnten.

Wie sind Sie auf Ricky Warwick als Sänger gekommen - und wie hat er die Herausforderung angenommen?

Ich wollte ihn wegen seiner Stimme. Wir beide hatten lange Diskussionen, wie er das angehen sollte, und waren uns einig, dass er eine eigene Interpretation der Songs finden sollte, die ihm entspricht. Die Reaktionen von Fans und Medien zeigen uns, dass das der richtige Weg war.

Sie waren immer der einzige Amerikaner in einer irischen Band, die nun bis auf Sie wieder ganz aus Iren und Nordiren besteht. War das eine bewusste Entscheidung?

Nein, es hat sich einfach so ergeben. Diese Jungs hätten schon vor Jahren in der Band sein sollen. Ricky kann bis heute nicht glauben, dass er wirklich bei Thin Lizzy singt, und freut sich schon auf unser Konzert in Belfast, wo er und Vivian ein Heimspiel haben. So wie es für Brian immer etwas ganz Besonderes ist, in Dublin zu spielen.

Wie haben Sie damals die kulturellen Unterschiede empfunden?

Sie waren sehr groß. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, weil die Welt inzwischen so viel kleiner geworden ist. 1974, als ich eingestiegen bin, war es manchmal, als kämen wir von unterschiedlichen Planeten, wenn wir uns unterhalten haben, egal ob es um Sport ging oder ums Essen. Wir sind ja völlig unterschiedlich aufgewachsen, ich in L.A., Phil und Brian Downey in Dublin, Brian Robertson in Glasgow. Das hat sich aber schnell als großer Vorteil erwiesen, denn auf Tournee gibt es sehr viel Leerlauf, und wir hatten einander unglaublich viel zu erzählen. Sehr cool war auch, dass wir voneinander lernen konnten. Phil hat mich durch ganz Irland geschleppt, das war wie eine Geschichtsstunde. Und als wir in den USA unterwegs waren, haben die anderen sich einige dumme Touristen-Fehler erspart . . . (lacht)

Auch musikalisch gab es einige Unterschiede.

Absolut, und ich glaube, dass Phil mich wollte, um diesen amerikanischen Einfluss in der Band zu haben. Zu Beginn, im Trio mit dem Gitarristen Eric Bell, klangen Thin Lizzy noch sehr irisch, und sie wären möglicherweise auch nicht viel bekannter geworden, wenn Phil nicht bewusst zwei andere Gitarristen in die Band geholt hätten. Der Sound hat sich dann ja grundlegend verändert.

Wie haben Sie sich mit Ihrem Kollegen Brian Robertson verstanden?

Wir waren wie Feuer und Wasser, ich spielte geschmeidigen kalifornischen Rock'n'Roll und er diesen kantigen schottischen Blues-Stil - das hätte eigentlich nicht funktionieren dürfen. Vielleicht war es gerade wegen des großen Gegensatzes so besonders. Wenn man solche zweistimmigen Linien spielt, muss man intensiv proben und sich genau auf den anderen einstellen, man muss wissen, wie weit er die Saiten zieht, wie sein Vibrato klingt.

Wird es irgendwann ein neues Studio-Album von Thin Lizzy geben?

Das ist die Frage aller Fragen, und es scheint nun tatsächlich möglich. Wir haben darüber gesprochen und auch Phils Frau Caroline einbezogen. Noch vor ein paar Jahren war das undenkbar für uns, für die Fans, für alle. Inzwischen bekommen wir ständig Anfragen, die Leute wollen jetzt neues Material hören.

Gibt es denn welches?

Über die Jahre sind tonnenweise neue Songs entstanden, die nur darauf warten, aufgenommen und veröffentlicht zu werden. Aber wir werden das ganz in Ruhe angehen.

Was gibt es live zu hören?

Das "Live & Dangerous"-Album mit den großen Songs bleibt der Maßstab. Aber weil Ricky und Vivian so große Fans sind, konnten wir ein bisschen tiefer einsteigen und haben Songs ausgegraben, die wir seit Jahrzehnten nicht gespielt hatten oder sogar noch gar nie. Mehr verrate ich nicht.