Wissenschaftsministerin Theresia Bauer demonstriert am Samstag in Heidelberg für offene Wissenschaft und Forschung. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

In vier baden-württembergischen Unistädten findet an diesem Samstag die internationale Demonstration „March for Science“ statt – auch in Stuttgart. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) hält das für ein wichtiges Signal.

Stuttgart - – Frau Ministerin Bauer, Sie nehmen am „March for Science“ an diesem Samstag in Heidelberg teil. Haben Sie angesichts der frostigen Temperaturen in diesen Tagen Ihre Winterstiefel denn schon wieder aus dem Keller gekramt?
Ich habe mich mit der Wettervorhersage für das Wochenende bisher noch nicht beschäftigt. Aber ganz egal, wie die Temperaturen und das Wetter am Samstag auch sein werden: ich bin ich auf alle Fälle dabei beim „March for Science“. Es gibt gute Gründe.
Welche?
Eine liberale Demokratie braucht freie Wissenschaft, so wie sie auch freie Presse und unabhängige Gerichte braucht. Wissenschaftler müssen angstfrei, offen, unabhängig, weitsichtig und auch kritisch arbeiten können. Wir brauchen deren Erkenntnisse, um uns als Gesellschaft zu entwickeln und immer wieder zu erneuern. Die Fragestellungen und die Neugier dürfen nicht eingeschränkt werden. Deshalb halte ich es für ein wichtiges und gutes Signal, dass sich die Menschen in vier Universitätsstädten in Baden-Württemberg an dieser internationalen Demonstration für freie Wissenschaft und Forschung beteiligen.
Was hat sich in der Welt verändert, dass es überhaupt zu einer solchen Aktion kommt?
Wenn wir in die Welt schauen, fällt auf, dass die autoritären oder populistischen Regierungen immer in Richtung Verfassungsgerichte, Presse, Wissenschaft und Kunst zielen, um die Deutungshoheit zu erlangen und die Dinge unter Kontrolle zu bekommen. Wissenschaftliche Fakten, die nicht ins politische Kalkül passen, werden infrage gestellt und bekämpft. Auch die Wissenschaftler und die wissenschaftsnah beschäftigten Menschen in Deutschland merken, dass da weltweit etwas ins Wanken gerät, zum Beispiel in Russland, in der Türkei, in Ungarn, in China. Und auch in den USA beobachten wir aktuell, wie Trump Hand anlegt an die Grundfeste der offenen Wissenschaft.
Inwiefern?
Zum einen plant er tiefe budgetäre Einschnitte im Bereich der Sozial-, Human- und Umweltwissenschaften. Zum anderen verändert sich das bisherige Klima der Weltoffenheit, das ein gutes Stück der Attraktivität des US-Forschungsstandorts ausgemacht hat. Bei meinem Besuch Ende März in Boston und Connecticut mit dem Wissenschaftsausschuss des Landtags habe ich solche Ängste und Sorgen deutlich wahrgenommen.
Können Sie diese Sorgen konkretisieren?
Da geht es zum Beispiel um Fragen, ob Forscherkollegen aus dem Iran nach dem Heimaturlaub überhaupt noch einmal einreisen dürfen. Oder ob man zu bestimmten Themen wie Klimawandel oder Impfen noch publizieren kann, ohne dass man Schwierigkeiten bekommt.
In Deutschland ist solch ein Wandel derzeit unvorstellbar. Inwieweit fürchten Sie, dass sich deshalb nur ein elitärer Kreis für die Bedeutung der Wissenschaft interessiert?
Ich glaube, dass die Bereitschaft, sich für offene Wissenschaft einzusetzen, sich nicht nur auf eine kleine elitäre Gruppe beschränkt. Die weltweite „March for Science“-Bewegung ist ohne Organisationsstruktur in kurzer Zeit von unten gewachsen. Das finde ich beeindruckend. Es ist wichtig, dass wir diese Errungenschaften in Deutschland nicht für selbstverständlich erachten, denn das sind sie nicht. Wir müssen uns dazu bekennen und dafür einsetzen, dass wir auch weiter innovations- und wissenschaftsgetrieben die Zukunft gestalten.