Warnerin vor den Gefahren der digitalen Welt: Yvonne Hofstetter Foto: dpa

Die Publizistin und IT-Unternehmerin Yvonne Hofstetter hat in Stuttgart den Theodor-Heuss-Preis 2018 erhalten. Sie sieht durch die moderne Datenwelt die Demokratie in Gefahr.

Stuttgart - Man habe sich bei der Formulierung des Themas für den 53. Theodor-Heuss-Preis der 2018 unter der Überschrift „Programmierte Freiheit -Spielräume für Verantwortung” stand, nicht leicht getan, sagte die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan vor der Preisverleihung in Stuttgart.

Sie umschrieb damit den Graben zwischen oft politisch blinden Technikpropheten einerseits und denjenigen, die häufig ohne Detailkenntnis der Zukunftstechnologien, über deren Folgen reflektieren.

Gewürdigt wurde mit der Publizistin, IT-Unternehmerin und Juristin Yvonne Hofstetter eine radikale Kritikerin der Manipulation im Digitalzeitalter. Als Hoffnungszeichen wurden andererseits drei Initiativen gekürt, die den Spagat zwischen Technik und gesellschaftlicher Verantwortung wagen. Alle sind aus Berlin.

Drei Initiativen für digitale Bildungsarbeit geehrt

Da ist das Startup AlgorithmWatch, das die Mechanismen von Algorithmen etwa auf sozialen Medien transparent machen will. Der Aufklärungs- und Bildungsarbeit für junge Menschen haben sich hingegen die Initiative Jugend hackt und die Gruppe „Die Aula“ verschrieben. Erstere lädt junge Leute zwischen 12 und 18 zu so genannten Hackathons ein, wo sie an Programmen arbeiten, die gesellschaftlich nützlich sein sollen. „Die Aula” bietet eine Online-Plattform, die Schülern eine demokratische Mitsprache an ihrer Schule ermöglicht.

Diese drei Gruppen setzen ein zentrales Anliegen der diesjährigen Theodor-Heuss-Preisträgerin Hofstetter um: Bildung für die digitale Welt. Die Behauptung, als Gegenleistung für die Preisgabe unserer Daten stehe eine nie gekannte individuelle Freiheit, nannte die 52-Jährige “nichts als Ideologie und die Grundlage für einen Hyperkapitalismus”. Ausgerechnet die “Werbetechnologie amerikanischer Technologiekonzerne und deren Pseudo-Individualisierung haben wir zur neuen Plattform für die Meinungsfreiheit auserkoren”, sagte sie. Wenn die Technologen des Silicon Valley dabei von einem optimierten Menschen träumten, so lehre die historische Erfahrung: “Neue Menschen waren nie eine gute Idee.”

Verändert die Datenwelt das Menschenbild?

Doch längst habe dieses Ideologie vom Menschen als „Datenhaufen” schleichenden Einfluss auf das Menschenbild gewonnen: „Es verändert unsere Selbstwahrnehmung, unser Wertesystem und unser Zusammenleben in Gesellschaft und Staat.” Es gehe angesichts eines immer weiter individualisierten Blickes auf die Realität um nichts weniger als den “Verlust der Wahrheit”.

Die Folgen seien zu besichtigen, sagte Hofstetter: “Aus einer unüberschaubaren Masse an Einzelmeinungen steigt jene starke populistische Führungsfigur auf, die einfache Antworten auf komplexe Fragen bietet.” Ihr Fazit: „Seit langem lautet eine meiner Thesen, dass uns der digitale Fortschritt gesellschaftlich – nicht wirtschaftlich! - nicht weiterbringt, sondern um Jahrzehnte zurückwift.”

Am Ende bleibt als Lösung nur eine neue Aufklärung

Lösungen sucht Hofstetter neben der Bildung auch in einer europäischen Technologiepolitik die in zentralen Bereichen wie der Künstlichen Intelligenz vorne mitmische – und ihre Werte einbringe. Und nicht zuletzt müssten im digitalen Zeitalter Grundrechte nicht mehr nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Unternehmen eingefordert werden können.

Hier zeigte sich der zweite Hauptredner, der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt, optimistisch. Mundt, dessen Behörde etwa mit Facebook im Clinch ist, hält es für möglich, durch das Durchsetzen rechtlicher Normen auch Datenkraken zu bremsen.