In unserer Serie beleuchten wir auch die verschiedenen Lebenslagen von Rentnern. Foto: Frauke Lehn

Der 72-Jährige Reiner K. ist seit sieben Jahren in Rente und genießt diese ohne finanzielle Sorgen. Auch Dorothea Zaiß (64) war ihr ganzes Leben lang berufstätig – doch nur dank eines Minijobs als Haushaltshilfe liegt ihr Einkommen über der Grundsicherung im Alter.

Stuttgart - Ein Leben lang hat Dorothea Zaiß (64) gearbeitet. Nun ist sie in Rente – und muss weiter arbeiten, sonst käme sie nicht über die Runden. Nur dank eines Minijobs als Haushaltshilfe bei einem älteren Ehepaar liegt ihr Einkommen über der Grundsicherung im Alter von derzeit rund 840 Euro. Wer weniger Rente hat, kann zum Sozialamt gehen. Das stockt entsprechend auf.

Zum Sozialamt möchte Dorothea Zaiß, die in einer kleinen Mietwohnung in Stuttgart-Untertürkheim lebt, lieber nicht mehr. Nach langer Krankheit hat sie einige Jahre Hartz IV bezogen. Schließlich wurde sie vom Jobcenter gedrängt, schon mit 63 und Abschlägen in Rente zu gehen. „Hartz IV, das ist etwas Bitterböses, das wünsche ich keinem. Man wird behandelt wie ein Mensch zweiter Klasse“, sagt sie. Im Jobcenter habe es niemanden interessiert, dass sie immer geschafft habe.

Dorothea Zaiß jammert nicht. „Ich bin zufrieden, wie es ist. Ich bin gesund und habe ein Dach über dem Kopf“, sagt sie. Den beiden längst erwachsenen Kindern gehe es gut, den bisher drei Enkeln ebenfalls. „Ich kann nicht shoppen gehen oder verreisen, wie es andere vielleicht können, aber das macht mir nichts aus.“ Sie sei schließlich auch nicht im Luxus aufgewachsen. Trotzdem habe sie eine sehr glückliche Kindheit gehabt, weil die Eltern immer für sie da gewesen seien. Während sie das sagt, leuchten ihre Augen.

Dorothea Zeiß lernte Floristin, ihr Mann macht sich im Weinanbau selbstständig

Als junges Mädchen macht sie eine Ausbildung zur Floristin und arbeitet auch einige Jahre im Lehrberuf. Schön sei die Zeit gewesen, auch wenn der Lehrherr streng gewesen sei. Manchmal träume sie von ihm, dann tauchten die Räume des Geschäfts in Stuttgart-Heslach wieder auf, in denen die Blumen gebunden und gekühlt wurden. Bevor sie als Verkäuferin in ein großes Kaufhaus wechselt, reist sie ein paar Wochen durch die USA, wo sie eine Schulfreundin besucht. 1972 ist das, und noch jetzt weht ein Hauch von Freiheit durch die Wohnung in Untertürkheim. Dann heiratet sie und bringt zwei Kinder zur Welt.

1980 macht sich ihr Mann, ein gelernter Weingärtner, der als Lkw-Fahrer im Straßenbau arbeitet und schon im Nebenerwerb den Wein seines Chefs anbaut, mit den von ihm gepachteten Rebflächen in Untertürkheim und Cannstatt selbstständig. Es ist eine arbeitsreiche, aber glückliche Zeit. Die Bilder von der Weinlese, die den Flur in ihrer Wohnung schmücken, zeugen davon. Sie zeigen eine große Familie, die gemeinsam anpackt. Und dabei lacht.

Mit dem Tod ihres Mannes beginnt für Dorothea Zaiß eine schwere Zeit

„Als junger Mensch macht man sich nicht so viele Gedanken über die Altersvorsorge. Mein Mann hatte einen Bausparvertrag und eine Lebensversicherung, aber das hält nicht ewig“, erzählt Dorothea Zaiß. Als er im Januar 2006 im Alter von nur 55 Jahren überraschend stirbt, beginnt für sie eine schwere Zeit. Sie muss den Betrieb, in dem sie viele Jahre als geringfügig Beschäftigte mit angepackt hat, auflösen. „Alleine hätte ich das nicht geschafft, meine Kinder hatten ja längst eigene Berufe.“ Dann wird sie schwer krank und muss den eigenen Teilzeit-Job in der Hauswirtschaft eines Pflegeheims, den sie da schon einige Jahre ausübt, aufgeben. Hartz IV folgt, schließlich die Rente mit 63.

Es ist anders gelaufen, als Dorothea Zaiß es sich vorgestellt hat. Erst stirbt ihr Mann viel zu früh, dann kann sie selbst nicht mehr arbeiten. „Ich hab natürlich auch nicht in dem Glauben gelebt, dass ich krank werde und nicht mehr schaffen kann. Ich habe mir vorgestellt, du kannst bis 65 schaffen, und was du dann hast, damit kommst du aus“, erzählt sie. Aber daraus wurde nichts.

Dorothea Z.: „Ich habe mir das in der Jugend wirklich anders vorgestellt“

Sie hat immer gearbeitet, am Ende aber nur ein kleine Rente. Empfindet sie das als ungerecht? „Das ist bedauerlich, aber ich kann niemanden dafür verantwortlich machen“, sagt Dorothea Zaiß. Jeder sei seines Glückes Schmied. „Ich habe mir das in der Jugend wirklich anders vorgestellt. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, da ist es uns gut gegangen.“

Nun lebt sie knapp über Sozialhilfe-Niveau. Nur der Minijob hält sie darüber. „Das ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt sie stolz. Und hofft natürlich, dass sie die Arbeit noch lange machen kann. „Nur so daheim zu sitzen, das wäre nichts für mich.“

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Der Rentner Reiner K. macht sich um Geld keine Sorgen

Der Rentner Reiner K. keine finanzielle Sorgen. Um Geld muss er sich im Vergleich zu vielen Gleichaltrigen keine Gedanken machen – trotzdem ist ihm eine ausschweifende Lebensweise fremd. Seit sieben Jahren lebt der 72-Jährige mit seiner Ehefrau in einer 63 Quadratmeter großen Mietwohnung an der Neckartalstraße. Seine Frau ist an diesem Tag auf Enkelbesuch in Darmstadt, doch Reiner K. hat kein Problem damit, sich alleine zu beschäftigen.

„Mir ist als Rentner noch keine Minute langweilig gewesen“, sagt Reiner K., der seinen vollen Namen nicht preisgeben möchte. Gemeinsam mit seiner Ehefrau hat er im Jahr 2008 aufgehört zu arbeiten. Nun kann er endlich morgens bis 10 Uhr ausschlafen, meist beginnt er den Tag mit einer Stunde Zeitunglesen. Früher hat sein Wecker jeden Morgen zwischen fünf und halb 6 geklingelt. Drei bis vier Mal die Woche spielt er Tennis im Cannstatter Tennisclub – meist spaziert er dort hin. Spaziergänge macht er sowieso gerne – auch mit Abstechern in diverse Biergärten. Macht das Wetter nicht mit, liest er am liebsten: „Ich bin ein guter Kunde der Stadtbibliothek geworden“ Außerdem trifft er Kumpels, seinen Sohn, seine zwei Enkel oder seinen achtjährigen Urenkel.

Reiner K.: „Ich habe 50 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt“

Früher blieb für Lesen oder lange Spaziergänge nur selten Zeit: Reiner K. beginnt mit 14 Jahren eine Lehre im Gipser- und Stuckateurgeschäft seines Vaters, mit 20 Jahren lässt er mit dem Meisterbrief in der Tasche das Unternehmen seines Vaters zurück. Er absolviert eine zusätzliche Ausbildung zum Bautechniker. Insgesamt 40 Jahre lang ist er in der Bauleitung der Firma Käser in Remshalden tätig. Dort kümmert er sich vor allem um Kunden im nahen Europa und ist dementsprechend viel mit dem Auto unterwegs. „Ich habe zwischen 50 und 60 Stunden pro Woche gearbeitet“, sagt er. Ein Jahr, bevor er 65 Jahre alt wird und in den Ruhestand gehen will, meldet die Firma Konkurs an. Doch er hat Glück: Über Beziehungen kommt er für sein letztes Arbeitsjahr bei der Firma P&K in Leutenbach (Winnenden) unter.

Reiner K. ist zufrieden mit seiner Rente. „Ich habe 50 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt“, sagt er und ergänzt: „Von nichts kommt nichts“. Seine Ehefrau, eine gebürtige Polin, war bis zu ihrem Ruhestand mit 58 Jahren als Buchhalterin für das staatliche Landesamt in Wiesbaden tätig. Ihre Rente ist zwar deutlich geringer als die ihres Mannes – trotzdem kommen die beiden zusammen gut über die Runden.

Vor allem Selbstständige und Bekannte aus der Gastronomie klagen

Er hält das Rentensystem für fair: Nach so vielen Jahren als Arbeitnehmer könne er auch nun sorgenfrei seine Miete bezahlen und sich hin und wieder auch einen gewissen Luxus erlauben. „Außerdem lebt es sich zu zweit natürlich entspannter als alleine“, sagt er. „Gewisse Kosten hat man ja, egal ob man alleine oder zu zweit lebt.“

Reiner K. weiß aber auch, dass es nicht allen Rentnern so gut geht. „Vor allem von ehemaligen Selbstständigen und Bekannten aus der Gastronomie höre ich immer wieder Klagen“, sagt er. Obwohl er deutlich wohlhabender als der Großteil der Rentner ist, führt er kein ausschweifendes Leben. Das Auto steht die meiste Zeit in der Tiefgarage, viel lieber nutzt er das verbilligte Seniorenticket des VVS. Die vielen Bücher, die auf dem Tisch neben seiner Couch liegen, gibt er innerhalb weniger Tagen wieder der Stadtbibliothek zurück. Bei dieser bodenständigen Lebensweise sagt Reiner K. auch stillschweigend grinsend nichts gegen das größte Hobby seiner Frau – Shopping.