Um eine Reihe von Themen ringen die Parteien im Wahlkampf besonders. Wir zeigen auf, welche Probleme es in diesen Bereichen gibt – und was die Politik plant. Diesmal: Wie kann der massive Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Städten behoben werden?

Stuttgart - Um eine Reihe von Themen ringen die Parteien in diesem Bundestagswahlkampf besonders. Wir zeigen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten auf. Im ersten Teil geht es um die neue Knappheit an bezahlbarem Wohnraum in den Städten und Ballungsräumen.

Warum fehlen erschwingliche Wohnungen – und wo vor allem?

Der Umzug von einer Stadt in die andere ist für Mieter zum Risiko geworden: Vor allem in den Großstädten herrscht eine ausgeprägte Knappheit an bezahlbarem Wohnraum. Eine Prognos-Studie zum Wohnraumbedarf in Deutschland nannte kürzlich die Top-7-Städte mit den höchsten Mietsteigerungen und dem knappsten Angebot an preiswerten Wohnungen: Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln und Stuttgart. Der Mangel strahlt aus in den ländlichen Raum: In einem Drittel der 402 untersuchten Kreise und Städte herrscht ein angespannter oder sehr angespannter Wohnungsmarkt, in Baden-Württemberg sogar in jedem zweiten.

Ausgehend von der falschen Annahme einer sinkenden Bevölkerungszahl waren die Wohnbaupläne um die Jahrtausendwende zurückgefahren worden – bis auf einen Tiefstand im Jahr 2009 mit 159 000 Fertigstellungen bundesweit. Doch haben viele Städte massiv an Einwohnern gewonnen, Leipzig etwa binnen vier Jahren um fast elf Prozent, Frankfurt um neun Prozent. Seit 2009 wird der Wohnungsbau wieder hochgefahren, auf bis zu 278 000 Fertigstellungen im Jahr 2016. Das reiche nicht, sagen die Autoren der Prognos-Studie, es fehle eine Million Wohnungen.

Mieten steigen schneller als Löhne

Während die Einkommen in den letzten fünf Jahren im Schnitt lediglich um knapp acht Prozent zugelegt haben, sind die Mieten im Schnitt um 17 Prozent gestiegen, heißt es in der Studie. Gerade für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen werde es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. „In Regionen mit deutlichem Nachfrageüberhang haben wir bei den Wiedervermietungen Mietsteigerungen von sechs Prozent im Jahr“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Wirkt die Mietpreisbremse nicht?

Nein, die von der großen Koaliton verabschiedete Mietpreisbremse bei Neuvermietungen funktioniere nicht, sagen der Mieterbund, SPD, Grüne und Linke unisono. Die Regelung sei zu kompliziert, und der Mieter werde in eine Lage gebracht, in der er den Vermieter sozusagen „rügen“ müsse, ohne dass er genaue Kenntnisse über das Vormietniveau oder etwaige Modernisierungen durch den Vermieter habe. Ein Gesetzentwurf von SPD-Justizminister Heiko Maas zu einer Novellierung der Mietpreisbremse ist in der großen Koalition auf Eis gelegt worden. Die CDU will das Instrument beibehalten, wie es ist, die Liberalen wollen die Mietpreisbremse abschaffen, sollten sie in den Bundestag und an die Regierung kommen. Die SPD will Vermieter zwingen, die Vormiete offenzulegen.

Modernisieren verteuert die Miete

Wenn der Wohnungsbesitzer eine Modernisierung vornimmt – beispielsweise eine Fassadendämmung oder die Heizungen erneuert – dann darf er elf Prozent der Kosten auf die jährliche Miete umlegen. Doch das belastet die Mieter vielfach höher, als die Ersparnis durch die niedrigeren Heizkosten ist. Der Berliner Mieterverein hat 200 Fälle von Modernisierungen untersucht, in denen die Miete im Durchschnitt um 2,44 Euro pro Quadratmeter gestiegen ist. Für Berlin mit seinem niedrigen Einkommensniveau – wo das Durchschnittsmietniveau bei 6,50 Euro pro Quadratmeter liegt – ist das relativ viel. Die SPD will Mieterhöhungen nach Modernisierungen begrenzen – gedacht ist wohl an acht Prozent.

Wie viele Wohnungen werden gebaut?

Vollmundig hat sich die CDU geäußert: In der neuen Legislaturperiode will sie 1,5 Millionen neue Wohnungen bauen lassen. Wirtschaftsforscher bezweifeln, ob das zu schaffen ist – 375 000 neue Einheiten pro Jahr? Dem stehen der Mangel an Bauplätzen in Ballungszentren und Kapazitätsengpässe in der Bauindustrie entgegen. Und wo sollen die Wohnungen entstehen? Fern der Städte sind sie wenig sinnvoll. Laut Mieterbund fehlen vor allem Sozialwohnungen, jährlich werden knapp 25 000 neue errichtet, dabei sollten es mindestens 80 000 sein, denn jedes Jahr fallen 50 000 aus der sozialen Bindung heraus. Für den sozialen Wohnungsbau sind die Länder zuständig, aber sie erhalten Bundesmittel, die sie oft für andere Dinge verwenden. Die FDP verlangt eine Zweckbindung der Mittel für Wohnungsbauförderung. CDU und Liberale wollen für Wohnungsbauunternehmen die steuerlichen Abschreibungen von zwei auf drei Prozent erhöhen.

Was soll es für die Häuslebauer geben?

CDU/CSU sowie die SPD wollen jungen Familien beim Bau oder Kauf eines Eigenheims helfen. Die Union will zehn Jahre lang ein Baukindergeld von 1200 Euro pro Kind und Jahr aus der Staatskasse zahlen, zudem will sie Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer einführen. Die Sozialdemokraten wollen ein Baukindergeld an Familien bis 70 000 Euro Jahreshaushaltseinkommen zahlen: 8000 Euro für Familien mit einem Kind, jeweils weitere 6000 Euro für ein zweites und drittes Kind. Kritiker befürchten, dass dies zu Preisaufschlägen beim Häuschen im Grünen führt.