Rainer Häußler, Konrad Stolz und Franz Bihr Foto: Norbert J. Leven

Experten haben bei einer Diskussion in Leinfelden viele Fragen zur Patientenverfügung beantwortet und Ängste vor der Vollmacht abgebaut.

Leinfelden - Es kann jeden treffen. Auch junge Menschen sind vor Schicksalsschlägen, die sie dauerhaft oder zeitweise ihrer Selbstbestimmung berauben, nicht gefeit. Einen Stellvertreter zu bestimmen, der mit Ärzten die Behandlung im Sinne des handlungsunfähigen Patienten abklärt, das ist der Kern der Patientenverfügung. Um den Inhalt und den Umgang mit einem solchen Dokument in der Praxis drehte sich die Gesprächsrunde am Mittwochabend in der Filderhalle, zu der die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und die Filder-Zeitung eingeladen hatten. Offensichtlich war das Thema richtig gewählt: „Innerhalb weniger Stunden waren wir nach der Ankündigung in der Zeitung ausgebucht“, sagte der Chef der örtlichen KSK, Bernhard Haberl, und freute sich. „Die Resonanz zeigt, wie wichtig das Thema ist.“

Etwa 300 Gäste verfolgten die von Dr. Ernst Bühler, Arzt für innere Medizin und Vorsitzender der „Esslinger Initiative Vorsorgen – Selbst bestimmen“, geleitete Diskussion, an der sich auch das Publikum schließlich noch rege mit Fragen und persönlichen Statements beteiligte. Bühlers Gesprächspartner – Rainer Häußler aus L.-E., Vorsitzender des Kreisseniorenrats, Konrad Stolz, Juraprofessor i.R. aus Esslingen, und Dr. Franz Bihr, Palliativmediziner am Kreiskrankenhaus in Ruit – wollten vor allem mit Missverständnissen aufräumen. Deutlich führten sie aus, dass die Patientenverfügung nur dann greift, wenn sich der behandelnde Arzt nicht mehr mit seinem Patienten verständigen kann.

Weitere Vollmachten ratsam

Herausgestellt hat sich in der Diskussion aber auch, dass die Patientenverfügung nicht die einzige Vollmacht ist, über die sich Partner und Familien unterhalten sollten. Stolz plädierte aus juristischem Blickwinkel für die Vorsorgevollmacht, mit der Menschen klare Vertretungsregelungen für definierte Notlagen treffen können. „Wichtig ist, dass Angehörige wissen, was der Betroffene will“, sagte Häußler.

Eine Verfügung setze kompetente Beratung voraus, unterstrichen Häußler und Stolz. Sie nannten als Ansprechpartner die Sozialämter in den Kommunen, die ehrenamtliche Berater vermitteln. Aber auch Ärzte, Anwälte und Notare kommen als Berater in Frage und „je nach Sach’ kann die Beurkundung einer Verfügung beim Notar auch ins Geld gehen“, sagte Stolz. Formularen aus dem Internet, die offenbar in mehr als 300 Varianten existieren, begegnen die Fachleute mit Skepsis. Häußler rät zum Papier der Esslinger Initiative. Der Kreisseniorenrat setze „auf Qualität statt auf Kreuzchenmachen“.

„Hoch emotionale Situationen“

„Ärzte fragen jeden Patienten nach einer Patientenverfügung“, sagte Dr. Bihr und schloss darin die stationäre wie auch die ambulante Versorgung Schwerstkranker ein, die in Ruit von der Spezialisierten Ambulanten Palliativ-Versorgung des Landkreises Esslingen“ (SAPV) organisiert wird. Er kennt diese „hoch emotionalen Situationen“ aus der Praxis, wenn beispielsweise die künstliche Ernährung kraft einer Patientenverfügung eingestellt wird.

So sinnvoll die Patientenverfügung allen Podiumsteilnehmern erscheint: Eine Verpflichtung zu einer Vollmacht gibt es nicht. „Jeder Mensch ist frei zu schreiben oder zu schweigen“, sagte Konrad Stolz.