Günther alias Boris Ben Siegel kämpft in einem Theaterstück dagegen, aus seiner Wohnung nicht ausziehen zu müssen. Foto: Boris Ben Siegel

Der Mannheimer Schauspieler und Regisseur Boris Ben Siegel hat ein interaktives Theaterstück zum Thema Luxussanierungen entwickelt – Spielort ist eine Wohnung in Stuttgart.

Stuttgart - Wohnungen in Großstadtszenevierteln sind umkämpft. Vermieter können fast alles verlangen; irgendeiner, der zahlt, sei es noch so unverschämt, findet sich immer. Warum nicht noch eine Besichtigungspauschale ansetzen? Das hat sich Boris Ben Siegel gedacht. 20 Euro verlangt er. Immerhin liegt die Wohnung ja im Stuttgarter Westen. Da will jeder hin. Die Plätze für die Besichtigung sind natürlich limitiert, 20 Leute pro Abend etwa. Nur vier Abende hat er angesetzt. Die Wohnung sei aus den 50ern, für den Ölofen müsse man noch abends mit einem Kännchen in den Keller laufen. „Es wird aber alles saniert“, kündigt Siegel an. Die Maklerin werde das Konzept vorstellen. Die potenziellen Mieter könnten sogar mitbestimmen. Nur: der aktuelle Mieter, Günther, wolle partout nicht raus.

Die Inszenierung findet in einer Wohnung statt, die tatsächlich saniert wird

Die Szenerie ist erschreckend real, ist aber frei erfunden. Die Wohnung gibt es zwar wirklich, aber die Besichtigungen sind eine Inszenierung. Boris Ben Siegel ist Schauspieler, Regisseur und künstlerischer Leiter an seinem eigenen Theater Oliv in Mannheim. Die exorbitant steigenden Wohnungspreise in Großstädten und die Gentrifizierung beschäftigen den Wahlpfälzer mit Zweiwohnsitz-Ambitionen in Stuttgart schon lange. Seit kurzem ganz konkret: Die Wohnung im Stuttgarter Westen gehört einem sehr nahen Verwandten. Der Mieter zog vor kurzem altersbedingt in ein Pflegeheim. Der Verwandte möchte die Wohnung nun komplett sanieren lassen und dann natürlich teurer vermieten. Als Geldanlage. Die Einnahmen seien schließlich später seine Rente. Siegel kann das nachvollziehen, kritisiert aber dass viele Städter „nach draußen gedrängt“ werden, weil sie sich die Mietpreise in der Stadt nicht mehr leisten können. Er selbst hätte die Wohnung unrenoviert weiter vermietet: „Viele Menschen sind froh, wenn sie so eine Wohnung für 350 Euro finden.“

Mit Gentrifizierung hat längst nicht nur der Prenzlauer Berg zu kämpfen

Alteingesessene, Künstler oder Kreative, inhabergeführte Läden und Kneipen machen ein Stadtviertel lebendig und einzigartig. Sie engagieren sich häufig vielfältig für ihr Quartier und plötzlich gilt es als angesagtes Szeneviertel, in das jeder will. Auch eben die, die viel Geld haben. Gentrifizierung nennt sich der Prozess, bei dem ein Austausch der alteingesessenen Bevölkerung durch eine neue, zahlungskräftigere Klientel stattfindet, wodurch das Viertel natürlich häufig sein Flair verliert. Das bekannteste Beispiel dafür ist in Deutschland der Prenzlauer Berg, längst haben aber auch beliebte Stadtteile in Stuttgart damit zu kämpfen.

Makerlin gegen Mieter – wer setzt sich am Ende durch?

Diesen Stadtentwicklungsprozessmacht Siegel zum Thema seines Theaterstücks. Die Maklerin spielt die Stuttgarter Schauspielerin Petra Weimer, Siegel selbst spielt den renitenten Mieter Günther, der partout nicht aus seiner Wohnung möchte. Günther, laut Siegel ein „liebenswerter Loser ohne Geld“, haust nur noch mit einer Luftmatratze und einem Rucksack mit wenigen Habseligkeiten in der Wohnung und wartet bis er zwangsgeräumt wird. In diese Situation platzt die Maklerin mit ihren Interessenten. Von da an entwickelt sich das Stück zwischen der Maklerin, die eiskalt ihren Job durchzieht, und Günther, der den Interessenten von seinem verkorksten Leben erzählt. Und die Zuschauer? Die können sich jederzeit einbringen.


Das Theaterstück findet am Dienstag, 27. Februar, sowie am Mittwoch, 28. Februar, statt sowie am Mittwoch, 21. März, und am Samstag, 24. März jeweils um 20 Uhr. Karten und die Adresse gibt es per per E-Mail an bb@borisbensiegel.de.