Statt auf der Bühne treten die Schauspielerinnen bei Youtube auf. Foto: Theaterakademie Stuttgart

Nebenjob weg, Schulgeld fällt an: Schüler der Theaterakademie Stuttgart sind auf Spenden angewiesen. Sie bedanken sich dafür mit originellen Videos.

Stuttgart - Das Fingerspiel von den Fünf Männlein, Die Eine-Frau-Version des Partisanenliedes „Bella Ciao“ a cappella, das schwäbische Gedicht von der „Bettfläsch“: Das sind Schmankerl, die sich die Studenten der Theaterakademie Stuttgart für ihre Unterstützer ausgedacht haben. Die Videos auf Youtube und in den sozialen Netzwerken sind drollig, der Hintergrund ist prekär: Viele Schüler können aktuell ihr Schulgeld nicht bezahlen, da wegen des Coronavirus’ ihre Nebenjobs in der Gastronomie weggebrochen sind.

Die Theaterakademie Stuttgart (TAS), die am 3. Oktober ihr 25-jähriges Bestehen feiern möchte, ist eine private Ergänzungsschule für die Ausbildungsgänge Schauspiel, Theaterpädagogik sowie Sprachkunst und Sprechpädagogik. Ihre Abschlüsse sind zwar staatlich anerkannt, die Akademie finanziert sich aber durch Schulgeld. Wie alle anderen Schulen auch ist sie seit Mitte März geschlossen. Inzwischen ist der Online-Unterricht gestartet, die Abschlussklassen sind wieder an der Schule. Dennoch fallen für alle Schüler im Mai wie schon im April Gebühren an, nicht zuletzt deswegen, weil für die Räume im ehemaligen Kübler-Areal im Stuttgarter Osten Miete bezahlt werden muss.

Außerdem hat das zur TAS gehörende Tourneetheater, die Theaterkompanie Stuttgart, keinerlei Auftrittsmöglichkeiten mehr – ein großer Teil des Engagements an Stadttheatern hat bisher die Akademie finanziert. Die Schulgründer und -leiter Cornelia Elter-Schlösser und Christian Schlösser sprechen von einem „Einbruch“. Sie seien „sehr in der Bredouille“.

Nebenjobs sind weggebrochen

Die Schüler trifft das doppelt. Viele von ihnen müssen ihre Ausbildung selbst finanzieren. Da der Unterricht von Schauspielern gegeben wird, müssen die Stundenpläne auf deren Engagements reagieren und flexibel sein. Oft sind die Schultage lang. Das macht einen regelmäßigen Nebenjob tagsüber schwierig, weswegen viele abends sowie am Wochenende in der Gastronomie arbeiten, also in jener Branche, die noch bis Montag geschlossen ist. Auch wer Essen zum Mitnehmen anbietet, braucht kein Servicepersonal.

So hatte die Studentin Nadia Dellagiacoma die Idee, mit Spenden das Schulgeld für die Betroffenen zu finanzieren. Und zwar auf Gegenseitigkeit: „Wir leisten etwas und erhoffen uns im Gegenzug Spenden“, sagt Nadia Dellagiacoma. Getragen wird die Aktion unter den Oberbegriff „Kultur in der Quarantäne“ von den knapp 50 Schülern, den Dozenten und der Schulleitung gemeinsam. Auch Ehemalige engagieren sich. Am Anfang stand ein Spendenaufruf, der etwa auf Youtube zu sehen ist.

Fast täglich kommen neue Stücke hinzu – Märchen etwa, Gedichte, Fingerspiele, eine Malaktion –, die in Gruppenchats abgestimmt werden. „Wir sind mitten im Prozess“, so Dellagiacoma. Die Videos richten sich vor allem an Familien mit kleinen Kindern, die zuhause bei Laune gehalten werden wollen. Aber es sind auch kleine Filme für Erwachsene im Angebot. Im März gingen die ersten Videos online, bereits in den ersten Wochen haben sie rund 6500 Euro eingespielt. Damit seien die Gebühren für April und teilweise auch für den Mai abgedeckt, sagt die Schulleiterin Cornelia Elter-Schlösser. Positiver Nebeneffekt: „Ich bin total baff, wie kreativ die Schüler sind.“