Volle Konzentration auf der Bühne: Und auch hinter den Kulissen geht es eher ruhig zu. Foto: Jacqueline Fritsch

Auf der Freilichtbühne des Theaters unter den Kuppeln in Leinfelden-Echterdingen läuft derzeit das Musical „The Pirate Queen“. Wir waren hinter der Bühne dabei und haben Dinge gesehen, die den Musical-Besuchern verborgen bleiben.

Stetten - Einer nach dem anderen schnappt sich ein hölzernes Paddel und stellt sich bereit; der lange Griff berührt den Holzboden der Bühne, das breite, flache Ende zeigt in Richtung Himmel. Die letzten Sekunden vor dem Auftritt sehen bei jedem anders aus: Viele lehnen sich an ihrem Paddel an, haben beide Hände locker am Griff und unterhalten sich mit ihren Kollegen. Auf der Bühne läuft bereits ein kurzer Film, der die Vorgeschichte der Handlung zeigt. Die schnelle, laute Musik des Films übertönt die Gespräche hinter den Kulissen. Andere stehen eher für sich und blicken geradeaus in die Leere, um noch einmal die nötige Konzentration zu finden. Wieder andere atmen schnell tief durch, sodass sich die Brust hebt und sich die Augen etwas öffnen. Eine Mischung aus Anspannung, Konzentration und guter Laune liegt in der Luft.

So geht es in den letzten Minuten vor der elften Aufführung von „The Pirate Queen“ hinter der Bühne zu. Das Theater unter den Kuppeln zeigt derzeit jeden Freitag- und Samstagabend das Musical. Bis zum 12. August können es die Zuschauer auf der Freilichtbühne in Stetten sehen. Die rund 70 Amateurschauspieler proben bereits seit Januar für das Musical, das sie seit Juni aufführen.

Das Stettener Theater gibt es seit 54 Jahren. Bis 1999 hatte es zwei Bühnen im Inneren. Erst dann kam die Freilichtbühne hinzu. Diese ist 360 Quadratmeter groß und hat in der Mitte einen runden Teil mit 15 Metern Durchmesser, den man drehen kann. „Mit der Drehbühne sind wir als Freilichttheater relativ einzigartig in Deutschland“, sagt Joachim Riesch, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Unter der Bühne ist der Orchestergraben, in dem während der Aufführung live gespielt wird. Der Zuschauerraum ist unter einer großen Kuppel und bietet Platz für 560 Menschen.

Die drehbare Bühne ist wichtig für den Szenenwechsel

Die Drehbühne ist wichtig für einen schnellen Szenenwechsel. Die Eisenstangen sind mannshoch und grau mit einer weißen Markierung an einem Ende. Vier Schauspieler holen sich jeweils eine aus der Halterung und laufen damit zur Drehbühne. Senkrecht stecken sie die Stangen in die dafür vorgesehenen Fugen der Bühne. Ein fünfter Schauspieler stellt sich bereit. Auf Kommando fangen die Darsteller an, zu schieben. Sie stöhnen vor Anstrengung. Der Fünfte drückt seinen Rücken gegen eine der Stangen, um mehr Kraft einzusetzen. Er kneift die Augen zusammen, presst die Zähne aufeinander und schiebt. Dann, langsam, fängt die Bühne an, sich zu drehen. Was den Zuschauern bisher verborgen blieb, wird nun sichtbar.

„The Pirate Queen“ handelt von der Irin Grace O’Malley, die im 16. Jahrhundert mit auf See fahren darf, obwohl sie eine Frau ist. Sie konnte die Männer von ihren Fähigkeiten auf See und im Kampf gegen die Engländer überzeugen. Eine Zweckheirat trennt die Piratin zunächst von ihrer großen Liebe. Nachdem sie verraten, gefangen und wieder freigekommen ist, stellt sie sich ihrer Erzfeindin: der Königin von England.

Jeder weiß genau, was zu tun ist

Die Szene ist vorbei. Das bedeutet, dass nun gut 20 Schauspieler hinter die Bühne stürmen. Schnell bricht dort Hektik aus – aber kein Durcheinander. Denn jeder weiß genau, wohin er gehen muss, wo er welches Kostüm und welche Requisite findet und was als nächstes passiert. Geredet wird hinter der Bühne fast nichts – dafür bleibt keine Zeit. Man hört lediglich die Schritte der Schauspieler auf dem alten, knarrenden Holzboden. Die Hauptfigur, die Piratin Grace O’Malley, muss sich nun zügig umziehen. Aus ihrer Weste befreit sie sich bereits, solange sich die Bühne noch von den Zuschauern wegdreht. Im Gehen knöpft sie sich die Bluse auf, das nächste Kleid liegt schon bereit – neues Kleid auf, rein, Reißverschluss zu. Immer ist ein Kollege da, der beim Umziehen hilft. Schon geht es wieder Richtung Bühne, während sie noch hier und da am Ärmel zieht und zupft. Die Bühne setzt sich bereits in Bewegung, als sie noch schnell einen Teil ihrer langen, roten Haare vom Rücken über die Brust legt.

Zwei Wochen vor der Premiere eines neuen Stücks treffen sich die Techniker und der Regisseur zum sogenannten „Einleuchten“. „Damit die Szenerie entsprechend wirkt“, erklärt Riesch. Dazu benötigt man Statisten, die die jeweilige Szene stellen. Und ganz wichtig: Es muss dunkel sein. Das Einleuchten geht deshalb meist von 23 bis 4 Uhr, erklärt Riesch. Nur so können die 160 Lampen, acht beweglichen Lichter und 14 LED-Scheinwerfer optimal eingestellt werden. Außerdem gibt es zwei Spots, die sich mit den Hauptfiguren der Szene bewegen.

Schauspieler tanzen und singen auch backstage

Auf der Rückseite der Drehbühne bringen sich einige Schauspieler in Position. Von Anspannung oder dergleichen spürt man diesmal aber nichts: Eine Frau, die einen Piraten spielt, lässt sich von der Musik des Stücks mitreißen und fängt an, dazu zu tanzen. Sie lacht, sodass man ihre Zähne sehen kann, legt die Hände auf ihre Hüften und schwingt die Beine in die Luft. Die Darstellerin der Königin von England erhebt sich von ihrem Thron, reißt im königlichen Gewand beide Arme zur Seite und strahlt über das ganze Gesicht. Ihr Lachen ist bei der Musik, die von der Bühne kommt, nur schwer zu hören.

Zwischen Paddeln, Kerzen, Degen und Kostümen wird es gegen Ende des Stücks plötzlich voll. Gut zehn Darsteller stehen in dem dunklen Raum und schauen auf einen kleinen Bildschirm in der Ecke, auf dem der Dirigent im Orchestergraben zu sehen ist. Konzentriert sehen die Schauspieler auf dessen Armbewegungen, während sie in einziges Mikrofon singen. Diese Stimmen kommen aus dem Off, wie man im Fachjargon sagt, und verstärken die Stimmen der Schauspieler aus der Bühne. Kaum ist der letzte Ton gesungen, herrscht wieder Stille im Off, und die Darsteller schwärmen nach allen Seiten aus – raus auf die Bühne oder zurück zum Umziehen.

Termine:

Das Musical ist noch am 5. und 6. August sowie am 11. und 12. August jeweils von 20.30 Uhr an zu sehen. Karten kosten je nach Sitzplatz 15 bis 22 Euro. Das Theater unter den Kuppeln ist am Gräbleswiesenweg 32.