Die Schüler der Vorbereitungsklasse proben für ihre Theateraufführung. Foto: Fatma Tetik

Flüchtlingskinder haben in Bernhausen gemeinsam mit Senioren ein Theater- und Kunstprojekt erarbeitet.

Filderstadt - Junge Flüchtlinge und pflegebedürftige Senioren haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Zu groß ist der Altersunterschied, zu unterschiedlich die kulturelle Identität, fehlende Sprachkenntnisse leisten ihr Übriges. Der Lehrer Jan Stark hat genau diese beiden Gruppen für ein außergewöhnliches Gemeinschaftsprojekt zusammengebracht. Seit knapp einem Jahr treffen sich sieben Senioren der Wohngemeinschaft für Senioren (WgfS) in Bernhausen regelmäßig mit 18 Schülern aus der Vorbereitungsklasse an der Gotthard-Müller-Schule, die von Jan Stark unterrichtet wird.

In Workshops wurde erzählt, gemalt, gekocht, viel gelacht aber auch geweint. In der Vorbereitungsklasse sitzen vorwiegend minderjährige Flüchtlingskinder aus Kriegsgebieten. Sie haben eine lange und lebensgefährliche Flucht hinter sich. Aber auch junge Migranten, deren Familien vor Hunger und Perspektivlosigkeit geflüchtet sind, werden unterrichtet.

Intensive und lebhafte Gespräche

Viele der Heimbewohner haben einmal ähnliches erlebt wie die Flüchtlinge. Sie können den jungen Menschen Trost spenden. Schnell wird klar, dass die beiden Gruppen mehr gemeinsam haben als zunächst vermutet. „Die Themen Heimatlosigkeit und Sehnsucht, Tod und Abschied, Angst und Ungewissheit treibt beide Gruppen um“, erklärt Jan Stark. In intensiven und lebhaften Gesprächen sei viel Persönliches thematisiert worden. Den mitunter traumatisierten Kindern und Jugendlichen habe man in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit gegeben, sich das erlebte Grauen von der Seele zu reden.

Das sei nebenbei ein gutes Sprachtraining für seine Schüler gewesen, sagt Stark. Die teilweise an Demenz erkrankten Senioren erzählten hingegen von Kindheitserinnerungen oder sangen Lieder, die ihnen geblieben sind. Begleitet wurden die Senioren von Alltagsbetreuern aus dem Pflegeheim.

Beeindruckende Bilder

Durch die gute Zusammenarbeit ist im Januar ein Theater-Kunstprojekt entstanden. Mit Pinsel und Stiften thematisierten die Flüchtlinge und Senioren ihre individuellen Heimatgefühle künstlerisch. Die Kunsttherapeutin Eva Hauser von der Kunstschule Filderstadt begleitete das Projekt mit dem Namen „Grenzenlos“, bei dem die Teilnehmer unter anderem den Übergang vom alten in das neue Zuhause bildlich darstellen sollten. „Es sind beeindruckende Bilder entstanden, die eine sehr emotionale Sprache sprechen“, sagt der Pädagoge Jan Stark, der als Kind mehrere Jahre in Südkorea gelebt hat.

Die Gruppe hat neben dem Kunstprojekt auch ein Theaterstück einstudiert. „Die Tür“ erzählt in einer Art Märchenform die Geschichte von Menschen, die den Sprung in eine neue Heimat wagen, jedoch vor große Hürden gestellt werden. Gelingt es der Gruppe, die Grenzen zu überwinden und den Übergang in die neue Welt zu schaffen? Das erfährt man bei der Aufführung des Stücks am Montag, 18. Juli, in der Filharmonie in Bernhausen. Dort werden auch die Kunstwerke der Senioren und Flüchtlinge ausgestellt.

„Senioren sind richtig aufgeblüht“

Oberbürgermeister Christoph Traub und der Rektor der Gotthard-Müller-Schule, Jürgen Sautter, eröffnen den Abend. Trotz aller Emotionalität, „die einem teilweise den Atem geraubt hat“, seien die Resonanzen auf das Gemeinschaftsprojekt sehr positiv gewesen, berichtet Jan Stark. „Die Senioren sind in der Schule richtig aufgeblüht, es sind viele Erinnerungen wach geworden und sie haben die Zusammenarbeit mit den jungen Schülern sichtlich genossen“, so der Lehrer der Vorberitungsklasse.

Die jungen Flüchtlinge im Alter zwischen elf und 17 Jahren, die nicht selten ohne ihre Eltern ihr neues Leben in der Fremde bewältigen müssen, fühlten sich in Anwesenheit der Senioren geborgen. Bei gemeinsamen Aktionen wie Plätzchenbacken und einer Faschingsfeier seien großartige, zwischenmenschliche Kontakte auf beiden Seiten entstanden. „Im Prinzip sind sowohl Flüchtlinge als auch Senioren die Randgruppen der Gesellschaft“, sagt Stark. Mit dem Projekt sei es nun gelungen, diese Gruppen zusammenzubringen, Denkprozesse aufzubrechen und bestehende Barrieren einzureißen. Die Kooperation mit der Wohngemeinschaft will Stark deshalb weiter ausbauen. Folgeprojekte sind bereits in Planung.

Restkarten
Für das Theaterstück und die Vernissage am Montag, 18. Juli, 19 Uhr, sind nur noch wenige Restkarten erhältlich. Es ist eine Reservierung unter der Mailadresse grenzenlos@gms-filderstadt.de erforderlich. Der Eintritt ist kostenfrei, Spenden kommen dem Projekt zugute.