Bewusst keine Blondine sollte Marilyn Monroe spielen: Die Hauptrolle bekamdie koreanische Amerikanerin Hana Kim. Foto: Meissner

Würde sie heute mit dem Rollator tanzen? Ließe ein Funkeln in ihren Augen erahnen, was mit Kennedy war? Zum 90. Geburtstag von Marilyn Monroe holt das New English American Theatre ein hochgelobtes Stück nach Stuttgart, das ein Mythos entschlüsseln will.

Stuttgart - In ihrer Gegenwart, so ist in einer der vielen Biografien über die seit 1962 tote Marilyn Monroe zu lesen, haben sich normale Männer in „durchgedrehte Paviane“ verwandelt.

Die Frau, die am 1. Juni 1926 in Los Angeles als Norma Jeane zur Welt gekommen ist, gilt als das größte Sexsymbol des 20. Jahrhunderts. Um ihre Inszenierung als Kunstprodukt ranken sich zahlreiche Rätsel. Hat sie sich wirklich selbst umgebracht? Oder war ihr vermuteter Selbstmord nur der tödliche Irrtum einer Frau, die alkohol- und tablettenabhängig längst den Überblick darüber verloren hatte, welche Drogen durch ihren Körper schossen?

Sie war die meistfotografierte Frau ihrer Zeit und gilt als Opfer ihres Ruhms. Immer wieder hatte sie einen Spruch auf ihren sinnlichen Lippen, dem man einem blonden Dummchen gar nicht zugetraut hat.

Wir verdanken der Hollywood-Ikone Erkenntnisse wie diese:

„Eine Karriere ist wunderbar, aber nichts, woran man sich wärmen könnte in einer kalten Nacht.“ Oder: „Neid ist der Schatten, den der Erfolg wirft.“ Und: „Wer morgens betet, hat den ganzen Rest des Tages Zeit für Spaß und Sauereien.“

Die Diva ohne Schminke und ohne Fassade in ihrem Schlafzimmer

In dem Theaterstück „The Unremarkable Death oft Marilyn Monroe“ von Elton Townend Jones, das am nächsten Donnerstag, 20 Uhr, im Theater am Olgaeck Deutschland-Premiere feiert, liegt die Diva ohne Schminke, ohne Glamour, ohne Fassade im Schlafzimmer und erzählt in der letzten Stunde ihres Lebens, wie alles war. Der Autor verwendet Notizen und Briefe aus dem privaten Nachlass der Monroe und zeichnet die Innenansicht einer Sexgöttin.

„Alles, was Townend Jones sie sagen lässt, ist authentisch und historisch belegt“, versichert Charles C. Urban, der Leiter des New English American Theatre in Stuttgart, „dies wird aber in oberflächlichen Abhandlungen zur Person Monroes gern verschwiegen, um ihr Image nicht anzukratzen.“

Regisseur Urban, der bereits ein Stück von Townend Jones, nämlich „The Diaries of Adam & Eve“, für Stuttgart inszeniert hatte, war Feuer und Flamme, als er hörte, dass sich sein britischer Lieblingsautor in seinem neuen Stück mit Marilyn Monroe befasst. Am Tag des Erscheinens im Februar besorgte sich Urban die Aufführungsrechte des englischsprachigen Stücks für Deutschland und freundete sich mit Townend Jones, dessen Humor er verehrt, bei Facebook an. Es gefällt ihm, mit einem lebenden Autor kommunizieren zu können, wenn Fragen auftauchen. „Dann bekommt man eine Antwort direkt von der Quelle“, sagt Urban „,das geht mit William Shakespeare leider nicht.“

Im Jahr des 90. Geburtstags wird man viel über Marilyn Monroe lesen können. Regisseur Charles C. Urban fasst zusammen, was aus seiner Sicht wichtig ist, um den Mythos zu verstehen: „Marilyn litt ihr Leben lang an Selbstzweifel. Sie galt als Waise und lebte mit zahlreichen Pflegeeltern. Sie bekam nie wahre Zuneigung und wollte nichts Sehnlicheres, als ihre Mitmenschen zufrieden zu stellen. Norma Jeane erfand die Kunstfigur Monroe, hatte damit Erfolg und war eine gespaltene, missverstandene Person.“

Monroe trug immer zwei Unterhosen bei den Dreharbeiten

Was Urban überrascht hat; „Sie litt unter der Angst vor Inkontinenz. Deshalb trug sie immer zwei Unterhosen bei den Dreharbeiten. Marilyn hatte unreine Haut und bekam oft Ausschlag wenn sie nervös war. Das war ein großes Problem bei Nahaufnahmen.“

Sowohl ihre Großmutter als auch ihre Mutter seien in der Psychiatrie gewesen. Die Großmutter habe versucht, sie mit einem Kissen zu ersticken. Marilyn sei als achtjähriges Mädchen von einem Untermieter vergewaltigt geworden. All dies blieb nicht ohne Folgen auf das Seelenleben der Schauspielerin. Es war nicht leicht für sie, zwischen Realität und Inszenierung ihren Weg zu finden. Auch das, sagt Urban, geht aus den Aufzeichnungen hervor, auf denen das Theaterstück beruht: „ Marilyn galt als die Personifizierung von Sex, hatte aber nach eigener Aussage selten einen Orgasmus.“

Für die Hauptrolle hat Charles C. Urban bewusst eine Schauspielerin ausgewählt, die nicht wie das Original aussieht. Er wollte kein Klon, sondern sich über die Distanz dem oft unverstandenen Männertraum nähern. Hana Kim ist eine koreanische Amerikanerin und hat rabenschwarze Haare. Als Marilyn Monroe rechnet sie in einem 80-minütigen Monolog mit allem ab.

Würde die Frau, die Millionen von Männern kopflos gemacht hat, heute noch leben, dies glaubt Urban, wäre sie noch immer eine strahlende Persönlichkeit, auch im hohen Alter. Und die Sprüche würden ihr nicht ausgehen, sofern sie noch klar bei Verstand wär’. Ihr eigenes Fazit eines geheimnisvollen Lebens lautete einmal: „Hollywood ist ein Ort, an dem sie dir 1000 Dollar für einen Kuss geben und 50 Cent für deine Seele.“