Jagen in „Talk Talk – Reise ohne Flucht“ den Identitätsdieb Peck: Bridger Martin (Aaron Frederik Defant), Dana Halter (Lucia Glaser, Mitte) Foto: Mirko Scheit

Die gehörlose Dana Halter aus „Talk Talk – Reise ohne Flucht“ wird Opfer eines Betrügers. Wie sie sich wehrt, wird auch in der Theaterversion des Romans zu sehen sein. Ein Probenbesuch im Ost.

Stuttgart - „Du Dieb du, du Arschloch.“ Dana Halter sprintet wie von der Tarantel gestochen hinter Peck Wilson her. Drohend und mit bitterbösem Gesichtsausdruck zeigt Dana auf den Mann, der ihre Identität geklaut hat. Zack, weg ist er – wieder steht sie mit leeren Händen da. Cut. Kurze Pause. Regisseurin Christine Bossert nickt zufrieden. Nur die Dana, die könnte an dieser Stelle noch einen Tick lauter werden. „Lucia, Peck hat dir alles genommen. Du bist rasend wütend, lass noch einmal deinen ganzen Ärger raus“, ruft Bossert der Schauspielerin Lucia Glaser zu, die die Dana spielt. Also noch einmal sprinten und voller Wut das „Du Dieb du, du Arschloch“ schreien. „Ja, genau so. Das ist es.“

Die Vorbereitungen für das Stück „Talk Talk – Reise ohne Flucht“ laufen auf Hochtouren. Bei der Probe am Freitagvormittag stehen die vier Schauspieler noch nicht auf der großen Bühne. In einem Raum nebenan wird an den letzten Feinheiten gefeilt. An diesem Donnerstag ist Premiere.

Danas Wut auf den ihr unbekannten Peck wächst ins Unermessliche: Als sie eines Tages nicht ordnungsgemäß an einem Stoppschild anhält, wird die Kalifornierin von der Polizei angehalten, und nachdem ihre Papiere überprüft werden, muss sie in Handschellen mit auf die Wache. Laut Polizei liegen mehrere Haftbefehle gegen Dana vor, unter anderem wegen Scheckbetrugs und Autodiebstahls. Es stellt sich heraus, dass sie unschuldig ist – denn William „Peck“ Wilson gibt sich als Dana Halter aus und lebt seither in Saus und Braus. Auf ihre Kosten.

Als Dana dann auch noch ihren Job als Lehrerin an einer Gehörlosenschule verliert, ist sie am Boden zerstört und will ihren Identitätsdieb zur Rechenschaft ziehen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb Dana Peck unbedingt finden muss: „Für Dana ist die Tatsache, dass ausgerechnet sie als Gehörlose Opfer eines Betrügers wird, wie ein Schlag ins Gesicht. Sie nimmt es persönlich, obwohl es wirklich nur ein Zufall ist“, sagt Christine Bossert.

Die spärliche Kulisse ist Absicht

Ein klassisches Bühnenbild wird es nicht geben. Auf der Bühne stehen im Hintergrund lediglich fünf Leinwände, auf die während der Vorstellung immer wieder etwas projiziert wird. Und Kartons. Überall Kartons, braune und weiße. Diese spärliche Kulisse ist beabsichtigt: „Ich wollte kein realistisches Bühnenbild. Mit den Kartons bauen die Schauspieler immer wieder unterschiedliche Dinge und deuten so etwas Bestimmtes nur an“, sagt Christine Bossert.

So zum Beispiel den schwarzen VW Jetta, mit dem die gehörlose Dana und ihr jüngerer Freund Bridger Martin (Aaron Frederik Defant) Jagd auf Peck Wilson (Wolfgang Mondon) und seine russische Lebensgefährtin Natalia (Nataša Rikanovic) machen, die ihrerseits in einem bordeauxroten Mercedes sitzen – angedeutet durch vier Kartons.

Die 41-jährige Stuttgarter Regisseurin ist fasziniert von T. C. Boyles „Talk Talk“, sie macht den Roman durch Buchzitate und eigene Ergänzungen bühnentauglich. Um die Gehörlosigkeit von Dana glaubhaft darstellen zu können, wird neben Lucia Glaser die gehörlose Schauspielerin Sabine Scherbel mit auf der Bühne stehen. „Quasi als innere Stimme, eine Art Dana zwei. Wir wollten auf keinen Fall nur so tun, als ob Dana gehörlos ist, sondern diesen Aspekt wahrheitsgetreu mit einbinden“, sagt Christine Bossert. Zur besseren Verständigung hat Lucia Glaser einen Gebärdensprachen-Coach zur Seite bekommen.

An drei Aufführungsterminen werden die Gebärdensprachen-Dolmetscherinnen Tanja Lilienblum-Steck und Sonja Lewandowsky dabei sein. „Wir haben dazu mit ‚Kultur mit Kopf, Hand und Herz‘ Kontakt aufgenommen. Das ist eine Untergruppe des Gehörlosenverbandes Stuttgart. Ich freue mich sehr, dass das geklappt hat, da Stuttgart diesbezüglich ein braches Land ist“, sagt Christine Bossert.

Wie Danas Jagd auf Peck letztlich endet, können die Zuschauer von diesem Donnerstag an im Ost verfolgen.

Premiere im Ost (Landhausstraße 188/1) am 26. März um 20 Uhr. Weitere Termine: 27. und 28. März, 16., 17. und 18. April, jeweils um 20 Uhr. Am 28. März sowie am 17. und 18. April findet die Aufführung mit einer Gebärdensprachen-Dolmetscherin statt. Karten gibt es unter der Telefonnummer 07 11 / 28 46 08 92.