Die Frauen und Männer geben authentische Schicksale wieder. Foto: Lg/Ferdinando Iannone

Das Theater La Lune zeigt das Dokumentarstück „Mittelmeer-Monologe“ über die Tragödie der Flüchtlinge und den Einsatz der Retter von Sea Watch.

Ertrinken ist ein stiller Tod. Im Mittelmeer sind ihm seit 2014 an die 25 000 Menschen auf der Flucht zum Opfer gefallen. Beinahe täglich kommen Berichte über gekenterte Boote, ertrunkene Flüchtlinge und beschlagnahmte Rettungsschiffe, allein in diesem Jahr waren es schon 1300, die das rettende Ufer an Europas Küsten nicht erreicht haben. Still, ganz still, war es im übervollen Theater La Lune, als vier Darsteller des Wort- und Herzschlag-Theaters mit „Mittelmeer-Monologen“ in der Rolle von Überlebenden und Rettern deren Erlebnisse schilderten.

 

Es sind authentische Schicksale, wortgetreu nach Interviews von dem Regisseur Michael Ruf in Szene gesetzt und von zwei Frauen und zwei Männern wiedergegeben. Intensiv, bewegend, schockierend.

2015 hat Sea Watch den ersten alten Kutter umgebaut

Wie das von Naomie. Sie stammt aus Kamerun. Für ihre kleine Tochter, der das Schicksal der Beschneidung drohte, hat sie die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer gewagt. Das Schiff geriet in Seenot, brach entzwei, die Tochter ist ertrunken. Die Schilderung des Sterbens verliert auch im begleitenden Gesang von Friederike Peters zu den klagenden Melodien des Cellos von Tabea Hörsch nicht ihren Schrecken: „Keine Luft und tonnenweise Wasser“. Naomie wurde gerettet und lebt in Deutschland, „gejagt von Träumen und immer wiederkehrenden Erinnerungen“.

Genau wie Yassin, der aus Libyen geflohen ist. Er hatte immer Angst vor dem Meer und musste sie überwinden. Um sich mit seiner schwangeren Frau vor Gefängnis und Folter zu retten. Sein Überleben verdankt er Sea Watch. Der Verein hat sich der zivilen Seenotrettung von Menschen auf der Flucht im zentralen Mittelmeer verschrieben, 2015 den ersten alten Kutter dafür umgebaut und mittlerweile aus Spenden fünf Schiffe finanziert. Joe ist einer von Sea Watch, Selma gehört zum Netzwerk und sitzt am Alarmphone. Man liest davon, man ahnt es und kann es sich doch nicht vorstellen: Wie schwer der Kampf um die Rettung der Flüchtlinge ist, wie hochprofessionell der geleistete Einsatz, wie schrecklich die Hilflosigkeit gegen Küstenwachen und wie groß die Verzweiflung beim Scheitern: „Die Menschen sind 20 Meter vor unserem Schiff ertrunken.“ Und dagegen das Glück des Erfolgs: „Wenn eine Überfahrt gelingt, macht das wahnsinnig glücklich“, sagt Selma.

„All diese Tragödien könnten durch eine andere Politik der EU verhindert werden“, betont der Regisseur Michael Ruf (46), der mit diesem Dokumentartheater eindrücklich aufklärt. Das Stuttgarter Aktionsbündnis für Menschenrechte und Flucht hat die „Mittelmeer-Monologe“ nach Stuttgart geholt. Ein Déjà-vu für die Geflüchteten Sadiq Zartila und Betül Yazici: „Wir haben unsere Flucht noch einmal erlebt.“