Eingang zur neuen Spielstätte im Straßendepot – an diesem Freitag wird eröffnet Foto: Max Kovalenko

Die freien Theater Stuttgart und das Produktionszentrum für Tanz und Performance haben für vorerst ein Jahr eine feste Spielstätte: An diesem Freitag wird das Ost im ehemaligen SSB-Depot in der Landhausstraße mit einer großen Party eröffnet.

Stuttgart - „Heimspiel!“ heißt das Programm aus kurzen Stücken, weil nach zehnjähriger Suche die rund 90 freien Tanz- und Theaterschaffenden Stuttgarts endlich eine feste Bleibe haben. „Ich glaube, es weiß niemand, was ihn erwartet, es ist ja alles neu“, sagt Bernd Schlenkrich. Das Gespräch mit dem künstlerischen Leiter des Ost wird immer wieder durch Telefonklingeln unterbrochen. „Ich habe nur ein Telefon, ich übernehme damit auch den Kartenvorverkauf“, sagt Schlenkrich, und dass man „dranbleiben“ müsse, wenn das Haus voll sein solle.

„Dranbleiben“ ist das Stichwort. Mit ihm lässt sich die lange Odyssee der freien Szene auf der Suche nach einer festen Spielstätte erzählen. „Eigentlich verdanken wir diesen Ort dem Staatstheater, das von hier ins Nord gezogen ist“, blickt Schlenkrich zurück. Nachdem das Kulturamt der Stadt Stuttgart signalisiert hatte, sich für einen festen Spielort der freien Szene im ehemaligen SSB-Depot einsetzen zu wollen, gründete diese 2014 einen Trägerverein mit dem Namen „Vereinigung freier darstellender Künstlerinnen und Künstler für Stuttgart und die Region e.V.“. Besitzer des Areals im Stuttgarter Osten sind nach wie vor die SSB. „Wir zahlen für ein Jahr 50 000 Euro Miete, die SSB haben im Ost die feuerpolizeiliche Sicherheitstechnik finanziert, übernimmt aber keine weiteren Kosten“, sagt Schlenkrich.

110 Sitzplätze fasst der Aufführungssaal. Thomas Pfisterer, Technischer Leiter im Haus, wischt gerade jeden einzelnen persönlich ab, während Schlenkrich laut darüber nachdenkt, wie er den Service an Kasse, Einlass, Garderobe und in der Gastronomie stemmen soll. „Ich hab’ nicht mal Geld, um eine Aushilfskraft zu bezahlen“, sagt er. Es gibt keinen Backstagebereich für die Künstler. Die Sanitäranlage für die Damen ist wegen Schimmelbefalls an den Wänden und verstopfter Waschbecken unbenutzbar. Als Zwischenlösung wurde für die Künstler eine nette rote Polsterecke zwischen Zuschauersaal und Probenraum eingerichtet. Außerdem gibt es eine Umkleide, die die Künstler nutzen können, wenn sie gewillt sind, eine ungeheizte, mehr als 1000 Quadratmeter große Halle zu durchqueren.

180 000 Euro hat das Haus als Jahresbudget zur Verfügung, eine Summe, die das Kulturamt aus zwei Teilen seiner Förderung vergibt, der Produktions- und der Aufführungsförderung. Kleinere Summen sollen nun über Vermietungen eingespielt werden. „Hier können Lesungen stattfinden, Workshops, Figurentheater, auch Formate, für die es noch gar keine Schublade gibt“, sagt Bernd Schlenkrich.

Gesucht werden zum Beispiel auch Kooperationen mit Bildungseinrichtungen. „Das Bundesprogramm ‚Kultur macht stark‘ fördert Projekte mit Schülern, wir haben schon ein Tanzprojekt mit einer Feuerbacher Schule“, sagt Bernd Schlenkrich und bedauert, dass er bisher keinen Caterer für die Gastronomie des Hauses gewinnen konnte. Platz gäbe es im Foyer genug, bei schönem Wetter stände die große Terrasse zur Verfügung. „Die Caterer winken ab, es lohnt sich nicht für sie“, sagt der künstlerische Leiter. Also bleibt auch die Gastronomie eine offene Frage.

Und trotzdem – die Vorfreude beflügelt, der Charme des Neubeginns lässt Kräfte wachsen. „Die Künstler schätzen enorm, dass sie neben dem Aufführungssaal auch die Möglichkeit haben, im Probenraum Stücke entwickeln zu können“, sagt Bernd Schlenkrich. Zwölf Produktionen, davon drei Premieren, bekommt das Publikum im September und Oktober im Ost zu sehen, einige sind für Kinder produziert.

Zur Party an diesem Freitag will die freie Szene alle Räume in ihrer neuen Spielstätte öffnen – ein Symbol auch für die Vielfalt des künstlerischen Programms.