David Fincher über seinen neuen Film, der den Facebook-Gründer porträtiert.

Hollywood - In seinem jüngsten Film "The Social Network" porträtiert David Fincher den jungen Harvard-Studenten Mark Zuckerberg, der 2004 die Internetplattform Facebook gründete, die heute 500 Millionen Mitglieder zählt und Zuckerberg zum jüngsten Milliardär der Welt gemacht hat.

Mr. Fincher, haben Sie in der Vorbereitung zum Film mit Mark Zuckerberg Kontakt aufgenommen?

Wir haben ihm das Drehbuch geschickt. Ich weiß nicht, ob er es selbst gelesen hat, aber seine Leute haben auf jeden Fall sehr früh entschieden, dass sie mit dem Film nichts zu tun haben wollen. Vielleicht haben sie gehofft, dass das Projekt im Sande verläuft, wenn sie es ignorieren. Es handelt sich also bei "The Social Network" um eine nicht autorisierte Darstellung der Ereignisse.

Was hat Sie an der Figur Zuckerberg interessiert?

An Zuckerberg scheiden sich die Geister. Die einen sagen schlicht, er ist ein Arschloch. Die anderen halten ihn für ein Genie. Ich will mich in diese polarisierte Sichtweise nicht einordnen. Zuckerberg war neunzehn Jahre alt, als er mit einer unglaublichen Vorstellungskraft dieses Projekt entwickelte und er hat es einfach nicht zu gelassen, dass ihn jemand von seiner Idee abbringt. Ich habe mich in meinen Filmen immer für Figuren interessiert, die sich der Katharsis verweigern. Ich mag Charaktere, die bei dem bleiben, was sie für richtig halten. Wenn man nach einer Geschichte sucht, in der es eine finale Erlösung gibt, ist dies auf jeden Fall der falsche Film. Aber ich glaube, dass Zuckerberg ein sehr ehrlicher Mensch ist und mir ging es darum, das ehrliches Bild jener Ambition zu zeigen, die man benötigt, um das zu tun, was dieser Mann getan hat. Und Zuckerberg hat in sehr jungen Jahren eine ernorme Leistung vollbracht. In nur zehn Jahren ist "Facebook" von 600 Mitgliedern auf eine Gemeinde von 500 Millionen Usern gewachsen, ohne dass das System - sieht man einmal von dem Zwischenfall vor wenigen Wochen ab - zusammengebrochen ist.

Was ist die treibende Kraft von dem Phänomen "Facebook". Narzissmus oder Voyeurismus?

Schaut man sich die Magazine am Zeitungskiosk an, findet man darauf fast immer die gleichen fünfzehn Filmstars, die die kaufkräftige Öffentlichkeit sehen will, um zu ihnen aufschauen und sie zu ihren Avatars machen. "Facebook" gibt nun Menschen die Macht, ihr eigenes Magazin über sich selbst zu schreiben. Dass viele Menschen damit fünf Stunden am Tag zubringen ist sicherlich ebenso albern wie tragisch. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass alle "Facebook"-User sich derart in dieser Erfahrung verlieren. Narzissmus ist eine sehr menschliche Eigenschaft. Auch wenn "Facebook" den Narzissmus füttert, bleibt die Verantwortung, ob man sich darauf einlässt, immer noch bei dem Narzissten selbst.

Finden Sie die Entwicklung nicht bedenklich, dass die Menschen zunehmend nur noch über SMS, Internet und Facebook kommunizieren?

Klar, manchmal sehe ich junge Leute, die mit ihrem besten Freund per SMS kommunizieren, und denke, dass das eigentlich eine sehr armselige und unpersönliche Form der Kommunikation ist. Aber gleichzeitig erinnere ich mich daran, dass ich, als ich fünfzehn Jahre alt war, auch oft meinen Freund angerufen und gefragt habe: "Was machst du gerade?" "Nichts und du?" "Auch nichts" . Sinnlose Telefongespräche wie diese sind jetzt durch sinnlose Textnachrichten ersetzt worden Es amüsiert mich immer wieder, mit welcher Ausführlichkeit die Leute im Internet über ein und dieselbe Sache diskutieren können. Nirgendwo wird mehr heiße Luft produziert als im Internet. Dennoch denke ich nicht, dass die Internetrevolution besonders böse oder hohl oder traurig ist. Ursprünglich wurde das Internet für Universitäten erfunden, die ihre Informationen zusammentragen und allen zugänglich machen wollten. Und dafür ist das Internet auch sehr nützlich. Aber wir haben das Internet zu einem riesigen Speicher gemacht, in dem jeder seine Meinung absondern kann. Das ist nicht die Schuld der Technologie. Wir haben uns entscheiden, sie so zu nutzen.

Glauben Sie, Ihr Film wird "Facebook" schaden?

Nein. Denn eigentlich ist Zuckerberg im Film ja auch eine Art Held. Sicherlich hat er keine besonders guten gesellschaftlichen Umgangsformen. Aber er hat eine eindrucksvolle, direkte und sehr fokussierte Persönlichkeit. Er ist ein Mann, der gleich zur Sache kommt. Es ist auf jeden Fall nicht unsere Absicht, die User-Quote von "Facebook" zu reduzieren . Wir wollen die Menschen ja nicht vor "Facebook" warnen. "Social Network" ist nicht "Das China-Syndrom".

Sehen Sie in Zuckerberg auch als einen Rebell gegen das Establishment?

Unser Film zeigt deutlich den Konflikt mit einer alten, überholten Business-Moral. In Harvard werden seit Jahrzehnten junge Industriekapitäne herangezogen, die dort lernen ihre Ideen in Form eines Unternehmens umzusetzen, das ein Produkt auf den Markt bringt. Zuckerberg hat ohne jegliche offizielle Unterstützung auf seiner Studentenbude das erfolgreichste Projekt auf die Beine gestellt, das in dem letzten Jahrzehnt aus Harvard hervorgegangen ist. Bei einem Produkt wie "Facebook" geht es allerdings nicht mehr darum, dass man den Konsumenten vor die Wahl stellt: "Kauf es oder lass es sein". Hier sind Hersteller und Nutzer im Gespräch darüber, wie man das Produkt verändern kann. Ein Produkt wie "Facebook" basiert auf dieser beständig weiter ausgebauten Beziehung zwischen Anbieter und Konsument. Und ironischerweise hat diese grundlegend neue, kommunikative Herangehensweise ein Mann entwickelt, der selbst große Schwierigkeiten mit sozialen Beziehungen hat. Aber vielleicht war auch gerade das seine Antriebsfeder.