Gut gebettet: Chevy Chase als Al Hart (links) und Richard Dreyfuss als Buddy Green Foto: Netflix

Im Streamingdienst Netflix läuft „The last Laugh“, eine wunderbare Tragikomödie über den Lebenshunger im Alter. Chevy Chase und Richard Dreyfuss spielen ein Duo, das es nochmals wissen will. Und es kommt nicht, wie es kommen muss.

Stuttgart - Ey, Alter, du bist ein hässlicher Sack geworden! Die Haut wird welk, der Hintern schlaff, das Herz gleich mit und vom Hirn ganz zu schweigen. Und dann noch das gesellige Wasserballett der Frühvergreisten in dieser noblen Residenz der Senioren, wo sie dem nahenden Abschied entgegen grinsen. Kein Wunder, dass der pensionierte Künstleragent Al dreinblickt wie ein Huhn beim Donnern, wenn er sich vorab die Werbe-DVD von „Palm Sunshine“ anschaut: Der wunderbare Netflix-Film „The last Laugh“ beginnt am Ende des Lebens, wenn die Zeit eher billig verfüllt als sinnvoll genutzt wird.

Selbst in „Palm Sunshine“ bleibt das letzte Lachen also tief im faltigen Halse seiner Bewohner stecken. Wie gut, dass Al, nachdem ihn seine Enkelin abgeliefert hat, dort seinen allerersten Klienten Buddy Green wiedertrifft. Mit ärztlich verordnetem Gras kifft der sich zwar die Lage schön, wird aber doch dank Showprogramm mit Zauberern und Jazzern nur träge und doof. Davon aufgeschreckt, beschließen die beiden Seventysomethings daher gemeinsam, es nochmals wissen zu wollen: Genau fünfzig Jahre nach dem frühen Rückzug von der Comedy-Bühne organisiert der alte Al dem älteren Buddy eine Comeback-Tour.

Rückgrat, Schlagfertigkeit und Stil

Und es kommt nicht, wie‘s kommen muss. Anders als in Melodramedys üblich, scheitert der einst zum Comedian umgeschulte Fußmediziner nämlich nicht am gewandelten Zeitgeist. Sein humoristischer Grenzgang zwischen Selbstzerfleischung und Randgruppenklischee reißt das Publikum von den Sitzen – mal mehr, wie bei der Show vor Hipstern in Chicago, mal weniger, wie beim Auftritt vor Rednecks in Texas. Aber Buddy zeigt stets Rückgrat, Schlagfertigkeit und Stil.

Unter der Regie des Drehbuchautors Greg Pritikin („Dummy“), dessen selbst zusammengestellter Soundtrack den Begriff des Showrunners neu definiert, entsteht daraus ein klingendes Roadmovie am Rande des Rührstücks. Dass es allerdings selten diese Grenze überschreitet, ist vor allem den Hauptdarstellern zu verdanken. Trotz gelegentlicher Ausflüge ins Grimassieren seiner Griswold-Epoche brilliert Chevy Chase in der Agenten-Rolle: ein Ritter gegen die eigene Bedeutungslosigkeit. Und seine Intensität wird von Richard Dreyfuss’ Buddy als hedonistischer Standup-Veteran sogar noch überboten. Auf halber Strecke von Los Angeles nach New York steigt auch die Kollegin Doris – auch schon jenseits der sechzig: Andie MacDowell – zu. Ihr obliegt zwar vornehmlich der Ausgleich zwischen den zwei freundschaftlich streitenden Sturköpfen, aber auch sie trägt zum Zauber dieses Dialog-Entertainments bei.

Wählscheibenfossile mit Durchhaltevermögen

Ähnlich wie zuletzt die gleichaltrigen Schauspieler Michael Douglas und Alan Arkin in „The Kominsky Method“, ebenfalls bei Netflix, lassen auch Chase und Dreyfuss ihre hollywoodgeschulte Eitelkeit hinter sich, weshalb „The last Laugh“ als Lehrfilm für das Altern in Würde taugt. Zwischen Viagra-Witzen und Vintage-Motels mag die Tragikomödie zwar auch als drolliges Porträt der amerikanischen Comedy-Szene durchgehen, aber darunter entspinnt sich doch eine hingebungsvolle Erzählung über den Existenzkampf zweier Wählscheibenfossile im Smartphonezeitalter. Am Ende wollen sie gar Buddys verpassten Megakarriere-Auftakt in der Late-Night-Show von Ed Sullivan mit einem halben Jahrhundert Verspätung nachholen, jetzt allerdings bei Jimmy Fallon.

Ob das klappt, wird nicht verraten. Aber mit welcher Inbrunst sich diese gut gereiften 1940er-Jahrgänge der digitalen Gegenwart stellen, macht „The last Laugh“ zum schönsten Road-Movie seit der unprätentiösen Weinkenner-Reise „Sideways“ aus einer Zeit, als auf der Leinwand noch etwas ohne Superhelden Erfolg haben konnte. „Ich bin groß“, antwortet Buddy auf Als Seitenhieb, er hätte ein Riese des Bühnenhumors werden können. Und Buddy fährt trocken fort: „Nur meine Witze sind klein.“ Das sind sie in der Tat. Aber in Zeiten des grassierenden Größenwahns erwächst wahres Format auf unscheinbare Weise.

Termin „The last Laugh“ ist ab sofort bei Netflix abrufbar.