Iim Grant (Robert Redford) wird in „The Company You Keep“ von seiner Vergangenheit als Untergrundaktivist eingeholt. Foto: Concorde Filmverleih

Das Interesse am Politischen zieht sich durch Robert Redfords Karriere. Nun hat der 77-Jährige einen Polit-Thriller inszeniert, in dem er sich mit den Linksterroristen des Weather Underground beschäftigt, die die USA Anfang der 1970er in Atem hielten.

Das Interesse am Politischen zieht sich durch Robert Redfords Karriere. Nun hat der 77-Jährige einen Polit-Thriller inszeniert, in dem er sich mit den Linksterroristen des Weather Underground beschäftigt, die die USA Anfang der 1970er in Atem hielten.

 
Mr. Redford, wieso wollten Sie einen Film über die US- Terroristen des Weather Underground in den 1970er Jahren machen?
Natürlich kenne ich die Geschichte der Baader-Meinhof-Gruppe, aber ich habe mich vor allem für die Geschichte der Anarchie interessiert, die zurückgeht ins frühe 19. Jahrhundert. In gewissen Abständen, ungefähr alle 20 Jahre, gab es Aufstände gegen die Auswüchse eines Regimes, das totalitäre Züge annahm. Mich hat die Frage interessiert, warum anarchische Bewegungen entstehen und warum sie vergehen.
Wollen Sie in Ihrem Film also die Gründe für das Scheitern dieser Bewegungen ergründen?
Dieser Film handelt von der vorerst letzten anarchischen Bewegung in den USA. Junge Menschen weigerten sich, in den moralisch verwerflichen Vietnamkrieg zu ziehen. Ich war damals jung und sympathisierte mit den Vietnam-Gegnern, hatte aber gerade in New York eine Familie gegründet und war stark in die Theaterarbeit eingebunden. Da die damalige Nixon-Regierung hart blieb, haben sich einige der jungen Protestler für den Weg der Gewalt entschieden. Dieser Schritt war für mich der Anfang vom Ende. Die Bewegung starb und viele der Anhänger gingen in den Untergrund, um frei zu bleiben. Ich wollte einen Blick auf diesen besonderen Moment in der US-Geschichte werfen, um herauszufinden, wie es den immer noch verfolgten Menschen des Weather Underground geht, heute, über 30 Jahre später: Wie fühlen sie sich und wie haben sie sich den neuen Lebensverhältnissen angepasst?
Sollte man 40 Jahre später noch für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden – oder sollte Gnade erfahren, wer inzwischen erkannt hat, dass Gewalt kein akzeptables Mittel ist?
Wir alle verändern uns, und wir alle werden oft von Ereignissen aus unserer Vergangenheit eingeholt. Müssen wir dafür endlos zahlen? Diese Frage stellt der Film, und mich interessiert, wie sich das Leben der Mitglieder des Weather Underground auf ganz unterschiedliche Weise entwickelt hat, nachdem sie untertauchen mussten. Manche bereuen ihre Taten, andere bedauern, dass die Bewegung endete, wieder andere sind nach wie vor von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt. Diese Komplexität wollte ich beschreiben, nachdem die von mir gespielte Figur die Flucht ergreift. Schon als Kind haben mich Geschichten von Jägern und Gejagten interessiert. Hier erzähle ich eine vor einem politischen Hintergrund.
Wie wichtig war Ihnen dabei das Thema Verantwortung?
Der von Shia La Boeuf gespielte Journalist jagt seiner Story hinterher und trifft dabei auf Menschen, die ihre Geschichten nicht preisgeben wollen. Aber man kann seiner Vergangenheit nicht entkommen. Wenn man durch seine Taten Leben zerstört hat, muss man dafür einstehen, auch wenn die ur- sprünglichen Gründe ehrbar waren. Dieser Film handelt davon, in welcher Form man sich seiner Verantwortung stellen muss.
Haben Sie wieder die Freude am Schauspielen entdeckt, nachdem Sie sich in den letzten Jahren auf das Sundance Festival und die Rolle des Produzenten konzentriert haben?
Ja, ich habe als Schauspieler begonnen, habe dann in den 70er Jahren auch produziert und schließlich auch Regie geführt. Der Erfolg meines Films „Ordinary People“ traf mich vollkommen unvorbereitet. Ich wurde nervös, stellte mich in Frage und überlegte, wie ich durch diesen Erfolg anderen Menschen helfen könnte, ihre Geschichten zu erzählen. So entstand die Idee, den amerikanischen Independent-Film mit dem Sundance Festival wieder zu neuem Leben zu erwecken und neuen Stimmen im US-Kino Gehör zu verschaffen. Diese Aufgabe als Leiter des Festivals hat mich stark beschäftigt, bis ich eines Tages aufgewacht bin und mich an das erinnert habe, was mir am meisten Spaß macht: Schauspielen!
Sie werden sogar bald in dem zweiten Film um den Marvel-Superhelden Captain America zu sehen sein. Fragen Sie sich manchmal, ob Sie für bestimmte Rollen zu alt sind – zum Beispiel die in „The Company You Keep“?
Natürlich, und ich habe die Buchvorlage von Neil Gordon vor vier Jahren so überarbeitet, dass die Rolle des gejagten Ex-Terroristen von mir glaubwürdig verkörpert werden konnte. Ich bin mit der Rolle verwachsen, auch wenn es mir nicht gerade leicht fällt, unter meiner eigenen Regie zu spielen.
Was hat Ihr Film mit den heutigen USA zu tun, sehen Sie Parallelen zu heutigen Protestbewegungen oder Terrorakten?
Viele der heutigen Terrorakte oder Gewalttaten geschehen aus individuellen Gründen. Ich erzähle, wie eine gerechtfertigte Protestbewegung gewalttätig wurde.
Sie haben einen Film über die Folgen eines politischen Idealismus gedreht und mischen sich oft in die amerikanischen Debatten ein. Wie sehen Sie die deutsche Politik ?
Ich verstehe mehr von amerikanischer Politik, weiß aber, dass Sie in Deutschland zum Glück nicht dieses Waffenproblem haben. Wenn man die Zahl der gewaltsamen Todesfälle in den USA mit anderen Ländern vergleicht, versteht man sofort, welche verheerenden Folgen der freie Waffenbesitz hat.
Spielen Sie immer noch gerne den Außenseiter, der sich in die Natur zurückzieht und die Gesellschaft kritisch betrachtet – so wie in Ihrer Rolle des „Jeremiah Johnson“ von 1972 ?
Das Gute am Älterwerden ist, dass man manchmal ein wenig weiser und philosophischer wird. Wenn ich zurückschaue, sehe ich, wie sich das Thema vom Jäger und Gejagten wie eine dramatische Struktur durch meine Rollen und Filme zieht.
Würden Sie etwas an Ihrem bisherigen Leben ändern, wenn Sie könnten?
Nein, man muss zu seinen Fehlern und Misserfolgen stehen, sie machen uns reifer. Misserfolg sollte nie ein Schlusspunkt sein. Ich sage allen Regisseuren, die nach Sundance kommen, dass sie keine Angst vor Niederlagen haben sollen, denn sie sind Teil des Filmemachens und man kann daraus lernen.
Sie bedauern nichts?
Beruflich gesehen bedauere ich nichts, ich bin froh über meine Karriere und meine Unabhängigkeit. In meinem Privatleben gibt es allerdings einiges, was ich bedauere – nur werde ich Ihnen davon nichts erzählen!
An welche „Champagner-Momente“ erinnern Sie sich besonders gerne?
„Die Unbestechlichen“ war großartig, weil es vier Jahre gedauert hat, diesen Film zu machen. Es gab so viele Widerstände und Hindernisse. Bei „Jeremiah Johnson“ war es ähnlich, kein Studio wollte den Film! Auch „The Company You Keep“ war nicht einfach zu produzieren, weil das Thema den Studios auf den ersten Blick zu komplex erschien. Wenn ich solche Filme gegen alle Widerstände doch noch auf die Leinwand bringen kann, dann bin ich wirklich glücklich.