Ein Mann, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird: Robert Redford als Jim Grant in „The Company You Keep – Die Akte Grant“ Foto: Verleih

Als Weathermen bezeichnete sich in den 1970er Jahren eine Untergrundorganisation, die auch Anschläge auf US-staatliche Einrichtungen verübte. Robert Redford lässt nun im Polit-Thriller „The Company You Keep“ FBI und Presse einen gealterten Extremisten jagen.

Stuttgart - Sharon Solarz steuert eine schlecht besuchte Tankstelle an. Sie zieht die Handbremse und öffnet die Fahrertür. Zum Grau der Zapfsäulen gesellt sich ein trister, von dicken Wolken verriegelter Himmel: Ein alltägliches Szenario, eine Frau in Strickjacke vor der Tankfüllung, ein langweiliger Sonntag im Herbst – dann schießen metallic-schwarze FBI-Wagen um die Ecke, Uniformträger mit Handfeuerwaffen schwärmen aus und nehmen die Frau ins Visier.

Solarz (Susan Sarandon) wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Sie gehörte zu den Weathermen, jener militanten, linksextremistischen Untergrundorganisation, die in den 1970ern Bombenanschläge auf amerikanische Regierungsgebäude verübten. Keine Spur von Überraschung findet sich in Solarz’ Augen, ihre Mundwinkel hängen ausdruckslos, als die Agenten sie gegen den Wagen pressen und abführen – nach dreißig Jahren Flucht hat sie keine Lust mehr auf das Versteckspielen.

Aus dem brisanten Stoff hätte er mehr machen können

Die Geschichte der Weathermen, die ihren Namen einer Zeile aus Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“ entnahmen („You don’t need a weatherman to know which way the wind blows“ – du brauchst keinen Wettermann, um zu wissen, woher der Wind weht) war Ende der 1960er Jahre mit Protesten gegen den Vietnamkrieg begonnen. Sie verstanden sich als „revolutionäre Organisation kommunistischer Männer und Frauen“.

Umstritten ist, ob bei den Anschlägen der Weathermen außer Aktivisten, die bei der Sprengstoffherstellung ums Leben kamen, Menschen getötet wurden. 1970 starb bei einem Bombenattentat auf eine Polizeistation in San Francisco Sergeant Brian McDonnell. Ob dieser Anschlag von den Weathermen verübt wurde, ist aber bis heute nicht abschließend geklärt. In der Geschichte, die Robert Redford in „The Company You Keep – Die Akte Grant“ erzählt, gibt es jedenfalls ein Todesopfer: In der Version, die einem Roman Neil Gordons folgt, ist in den 1970ern bei einem Bankeinbruch ein Wachmann getötet worden. Und mit Solarz’ Festnahme beginnt die Verbrecherjagd erneut. Der ehemalige, unter dem Namen Jim Grant untergetauchte Aktivist Nick Sloan wittert nun Gefahr – neben seiner neuen Identität als Anwalt hätte er mittlerweile auch eine Tochter zu verlieren.

Den Gejagten spielt Robert Redford. Außerdem führt er Regie. Doch aus dem brisanten Stoff hätte er mehr machen können. Wertewandel, Gewissensbisse, Identitätsfragen, Paranoia – all das hätte zu einem großartigen, durchweg spannenden Thriller verwoben werden können ohne sich dabei zu übernehmen. Aber genug vom Konjunktiv.

LaBeouf verleiht dem Film Dynamik

Ein ambitionierter Journalist namens Ben Shepard (Shia LaBeouf) bringt den Stein der Spannung ins Rollen: Dank einer verflossenen Freundin aus Schulzeiten, hat er Kontakte zum FBI. Wie die meisten bei einer Tageszeitung, ist auch Ben ein cleveres Kerlchen: Er recherchiert (nicht immer ganz legal) und realisiert dann großäugig: „Jim Grant ist Nick Sloan“. Die Akte Grant wäre für ihn ein Karrierenmeilenstein. Der bisher zumeist den Sidekick oder Autobotbezwinger („Transformers“) mimende Shia LaBeouf wirbelt den Staub des Vergessens auf, der sich über die gealterten, größtenteils resozialisierten Ex-Extremisten gelegt hat – die Terroristen von gestern sind unter uns! In der Rolle des jungen Journalisten repräsentiert er die fragende Folgegeneration: Was ist mit euren Idealen passiert? Wie weit darf man für diese eigentlich gehen? Aber er ermöglicht auch den Dialog: „Danke fürs Zuhören“, äußert die inhaftierte Sharon Solarz bedeutsam nach einer Unterredung.

LaBeouf verleiht dem Film Dynamik, die die ansonsten zweifellos großartigen Darsteller Nick Nolte oder Chris Cooper zumindest in den Rollen als rote Rentner nicht erzeugen können. Der inzwischen als Professor lehrende Jed Lewis (Richard Jenkins) könnte als eine Anspielung auf den real existierenden Bill Ayers verstanden werden: der ehemalige Weatherman und jetzige Pädagogik-Professor sammelt dieser Tage Spenden für Barack Obama. Sarah Palin unterstellte daher em heutigen US-Präsidenten im Wahlkampf 2008 Nähe zu Terroristen.

Redfords rüstiger Sloan klappert seine einstigen Mitstreiter ab, um Amilia „Mimi“ Lurie ausfindig zu machen. Auf Kosten ihrer eigenen Verteidigung, könnte sie ihn in dem Mordfall entlasten – aber wer macht das schon? Julie Christie gibt die nach wie vor systemfeindliche Mimi als starke, wenn auch im Innersten verbitterte Idealistin – anders als bei den zuvor besuchten alten Haudegen, wird Sloans Zusammentreffen mit ihr zum großen Interpretationsaustausch der gemeinsamen Vergangenheit. Aber das ist zu wenig, zu spät. „Mehr davon!“, möchte man gen Leinwand rufen.

Durchaus intelligent, doch leider mit zu vielen Längen versehen, hangelt sich „The Company You Keep“ an diversen Oscarpreisträgern und –nominierten entlang zur pathetischen Schlussszene. Es gelingt der soliden Romanverfilmung nicht durchgehend, die anfangs clever aufgebaute Spannung aufrechtzuerhalten.

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