Die Proteste haben sich für die IG Metall offenbar gelohnt – sie schlagen sich in einer Erhöhung der Realeinkommen nieder. Foto: dpa

IG Metall und Arbeitgeber haben in der Nacht zu Donnerstag ein Verhandlungsergebnis für die etwa 100 000 Beschäftigten der westdeutschen Textil- und Modeindustrie erzielt.

Stuttgart - Nach diversen Warnstreiks, an denen sich nach Angaben der IG Metall etwa 14 000 Beschäftigte beteiligt hatten, haben die Gewerkschaft und die Arbeitgeber der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie einen Tarifabschluss erzielt. Nach dem in der Nacht zu Donnerstag in Berlin vereinbarten Abkommen steigen die Gehälter der 100 000 Beschäftigten zum 1. August 2017 um 2,7 Prozent und zum 1. September 2018 um weitere 1,7 Prozent. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten bis zum 31. Januar 2019. Für die Monate Februar bis Juli 2017 gibt es Einmalzahlungen von insgesamt 320 Euro, die aber per Betriebsvereinbarung teilweise oder vollständig gekürzt beziehungsweise verschoben werden. Das Urlaubsgeld 2017 wird um 2,5 Prozent angehoben, 2018 um zwei Prozent.

Zudem haben die Beschäftigten auch künftig einen tariflichen Anspruch auf Altersteilzeit. Er gilt weiterhin für maximal zwei Prozent der Belegschaft, jedoch mit einem erhöhten Zuschuss: Wer in diesem Jahr in Altersteilzeit geht, erhält eine monatliche Aufzahlung auf 510 Euro, und für Beschäftigte, die 2018 in Altersteilzeit wechseln, erhöht sich der Betrag auf 535 Euro. Dies kommt aus IG-Metall-Sicht vor allem den niedrigen Einkommen zugute. Ältere Menschen könnten nun zu vernünftigen Konditionen aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Arbeitgeber wollten die Aufstockung mit Hinweis auf den demografischen Wandel zunächst verhindern.

Auch die Automobilindustrie ist tangiert

Es sei „gelungen, eine Reallohnerhöhung bei steigender Inflation durchzusetzen“, lobte IG-Metall-Verhandlungsführer Manfred Menningen. Gefordert hatte die Gewerkschaft ein Plus von 4,5 Prozent. Sein Kontrahent auf Arbeitgeberseite, Wolfgang Brinkmann, der auch Chef der Herforder Bugatti-Brinkmann-Gruppe ist, sieht zwar die erste Stufe der Lohnerhöhung als „große finanzielle Belastung“. Doch sei diese in der Gesamtbelastung mit der langen Laufzeit, den Einmalzahlungen und den Öffnungsklauseln abgemildert worden.

Viele Beschäftigte der baden-württembergischen Textilindustrie arbeiten direkt der Automobilindustrie zu. Streikaufrufe hatte es daher auch im Südwesten gegeben: zum Beispiel bei Adient Interiors in Rastatt und Airbag-Hersteller GST in Lörrach, zumeist jedoch im Bereich Freudenstadt, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd – etwa beim Miederhersteller Susa in Heuberg und Margarete Steiff in Giengen. Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist (inklusive Schuh- und Lederwarenindustrie) mit etwa 1400 Unternehmen und 130 000 Beschäftigten die zweitgrößte Konsumgüterindustrie in Deutschland.