Der Umsatz im stationären Modehandel ging 2014 das dritte Jahr in Folge spürbar zurück. Foto: dpa

Durch die Inflation sitzt das Geld bei den Bundesbürgern locker wie lange nicht mehr. Doch der Modehandel profitiert davon nicht. Die Verbraucher geben ihr Geld lieber für anderes aus.

Düsseldorf/Stuttgart - Die Kauflust der Verbraucher in Deutschland ist so groß wie seit mehr als 13 Jahren nicht. Doch an vielen Boutiquen und Bekleidungsgeschäften geht das spurlos vorbei: Das dritte Jahr in Folge musste der stationäre Modehandel 2014 nach einer Umfrage des Fachblattes „Textilwirtschaft“ spürbare Umsatzrückgänge verkraften. Und auch in den ersten Wochen des neuen Jahres ging der Trend weiter abwärts.

Viele Händler machen das lange Zeit wenig winterliche Wetter für die miesen Geschäfte der vergangenen Monate verantwortlich. Doch das allein greift als Erklärung wohl zu kurz. Denn der Abwärtstrend hält schon zu lange an, um ihn alleine auf Wetterkapriolen zurückzuführen.

Nach den Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist das Modebudget der deutschen Verbraucher in den vergangenen 15 Jahren drastisch geschrumpft. Gaben die Bundesbürger im Jahr 2000 noch 3,4 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Bekleidung aus, so dürften es in diesem Jahr nach Schätzungen der GfK gerade noch 1,8 Prozent sein.

„Seit dem Jahr 2000 ist der Textilmarkt um 25 Prozent geschrumpft“, beschreibt GfK-Textilexperte Bernd Lochschmidt die Entwicklung. Für die stationären Händler seien die Einbußen sogar noch größer, da ihnen gleichzeitig der Online-Handel Marktanteile abgenommen habe.

„Es sind mittlerweile viel mehr Anbieter auf dem Markt“, bestätigt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg in Stuttgart. Schon 2013 wurden etwa 17,5 Prozent der Modeartikel übers Internet verkauft, so der Bundesverband des Deutschen Textilwarenhandels – das entspricht einem Umsatz von rund 10,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Lebensmittelbranche hat in den vergangenen Jahr nur etwa 0,1 bis 0,3 Prozent online umgesetzt. „Das, was Zalando und Amazon verdienen, fehlt am Ende bei den Einzelhändlern“, klagt Hagmann.

Dennoch sieht sie die Entwicklung in der Modebranche nicht so negativ wie Lochschmidt. „Grundsätzlich ist es schon so, dass es Umsatzrückgänge gibt – aber nicht flächendeckend“, sagt sie. Der Umsatz in der Textilwirtschaft stagniere seit Jahren eher.

Den Grund dafür sieht Branchenkenner Peter Frank von der Handelsberatung BBE in der abnehmenden Relevanz von Mode. „Bekleidung hat an Stellenwert verloren“, meint er. Wer heute seinen Status demonstrieren wolle, investiere sein Geld lieber in ein neues iPhone als in teure Garderobe.

Auch Lochschmidt urteilt: „Es wird viel konsumiert, aber das Geld geht in Immobilien und Wohnungsrenovierungen, in Reisen oder das neue Smartphone.“ Dieses Geld fehle dann beim Besuch im Modegeschäft. Seit Jahren sei es der Modeindustrie nicht mehr gelungen, Must-haves zu kreieren, an denen der Kunde nicht vorbeikönne.

Das sieht Hagmann anders: Der Umsatz sei unter anderem deshalb zurückgegangen, weil Textilien immer günstiger würden. „Der Stellenwert von Mode ist immer noch hoch. Doch wenn man schaut, wie viel ein Pullover oder eine Hose beim Textildiscounter kostet, wird klar, dass sich das auf den Umsatz auswirken muss“, erklärt sie. Um das Umsatzvolumen konstant zu halten, müssten die Verbraucher inzwischen viel mehr Kleidung kaufen.

Als weiteren Grund nennt Hagmann die zunehmende Konkurrenz auf dem Markt. In Stuttgart habe der Einzelhandel 70 000 Quadratmeter hinzugewonnen – mindestens die Hälfte davon besetze der Textilhandel. „In den letzten 20 Jahren gab es eine Verkaufsflächenexplosion. Der Umsatz verteilt sich also stärker. Das muss sich irgendwann auf den Einzelnen auswirken“, führt sie aus.

Nicht sehr förderlich für die Kauflaune der Verbraucher dürfte auch der eigenwillige Verkaufsrhythmus sein, der sich in weiten Teilen des Modehandels durchgesetzt hat. „Winterware im August – seit Jahren passen Wetter und Modeangebot in den Läden nicht mehr zusammen“, klagte kürzlich sogar das Fachblatt „Textilwirtschaft“. Auf seiner Internetseite fragte das Magazin seine Leser auch gleich, ob die Branche das Problem in diesem Jahr wohl in den Griff bekommen werde. Die Antwort der Branchenkenner war eindeutig: 90 Prozent sagten Nein.