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Unser Reiseextra führt Sie an Orte, an denen Sie Flora und Fauna sehr nahe kommen. Zum Beispiel in den sonnigen Süden von Texas mit seinen seltenen Vögeln.

Keith hat ihn, Martin hat ihn, und Wayne hat ihn auch. Weithin sichtbar prangt der "No Border Wall"-Aufkleber auf ihren Autos. Und wenn die Vogelfreunde, die normalerweise so auf Ruhe bedacht sind, ihre Stimmen erheben, dann will das etwas heißen. Von weither kommen die Birdwatcher in den Süden von Texas, und manche wie Keith, Martin oder Wayne haben sich gleich dauerhaft hier niedergelassen. Hier können sie Vögel beobachten, die es sonst nirgends in den USA zu sehen gibt: den farbenprächtigen Schwefeltyrann, den Grünhäher oder den tollpatschigen Chachalaca, der so groß ist wie ein Rebhuhn.

Vögel kennen keine Grenzen, und die Tropen sind gleich nebenan. "Unsere Vögel hier sind charakteristischer für Mexiko als für die USA", erklärt Keith Hackland. Der Great Kiskadee mit seinem gelben Bauchgefieder, der am anderen Ufer des Willow Lake auf einer bemoosten Esche sitzt, ist auch ohne Fernglas zu erkennen. Die meisten Vogelbeobachter widmen sich ihrem Hobby mit buchhalterischer Lust und registrieren alle gesichteten Arten schriftlich.

Keith Hackland, 59 Jahre alt, hat vor neun Jahren sein Hobby zum Beruf gemacht und eine Pension für Naturfreunde eröffnet. Auf ornithologischen Führungen zeigt er Touristen jetzt seine Lieblingsecken im Valley, dem Flusstal am Nordufer des Rio Grande, den die Mexikaner Rio Bravo nennen. Der Fluss bildet die Grenze zwischen den beiden Staaten.

An der Grenze konnte sich entlang der Flussufer ein weitestgehend unberührtes Biotop entwickeln. Graugrüne Flechten umschlingen die Bäume im Schutzgebiet Santa Ana, manche baumeln von den Ästen herab wie Bärte und bilden ein undurchdringliches Geflecht. Dann raschelt hier ein Blatt, taumelt dort ein schwarz-gelb gestreifter Schmetterling umher, den Keith Hackland sogleich als Zebra Longwing vorstellt.

Doch das Idyll ist gefährdet. Nach kalifornischem Vorbild soll auch in Texas die Grenze zu Mexiko mit zwei Zäunen gesichert werden. Dazwischen ist der Bau einer Straße geplant, ausgeleuchtet und bewacht. Dass die Texaner von einer Mauer reden und sich "No Border Wall"-Aufkleber auf die Autos kleben, sagt viel darüber aus, was sie von diesen Plänen halten, die 2006 im fernen Washington beschlossen wurden. "Wir haben doch nicht gejubelt, als in Berlin die Mauer fiel, um jetzt selber eine zu errichten", heißt es in einem der zahlreichen Internetblogs zum Thema. Auch das Santa-Ana-Schutzgebiet wird an manchen Stellen seinen Zugang zum Fluss verlieren.

Dabei ist man im Süden von Texas Mexiko nicht nur räumlich nahe. Die Häuser im Valley sind bunter, man begrüßt sich mit Küsschen, besucht sich lieber anstatt anzurufen und lebt deutlich familiärer als etwa in Austin oder Dallas. Auch das macht die Gegend bei Urlaubern so beliebt. Viele bleiben gleich den ganzen Winter über im warmen Texas, so wie der 65-jährige Kanadier Dave Elder. Jeden Winter erklärt der Vogelfreund den Besuchern im Estero Llano State Park die Natur – ehrenamtlich und voller Begeisterung. "Winter Texans" werden die Rentner hier genannt, und sie wissen es zu schätzen, dass sie verbal eingemeindet werden, während bei ihnen zu Hause in Nebraska oder Colorado der Schnee fällt.

Raus in die Natur

Auch Brian und Anne sind aus Kanada angereist und haben im Bentsen Rio Grande Valley State Park eine Führung gebucht. "In unserem Vogelclub daheim reden alle vom Valley", erklärt Brian, "diese Region hier gilt einfach als eines der besten Gebiete für Vogelbeobachtung." Auch von der Pekari-Familie, die grunzend den Weg kreuzt, ist die Gruppe begeistert. Kojoten und Rotluchse leben ebenfalls im Park.

Längst ist allen im einst weltvergessenen Valley klar, dass Natur und Klima ihre größten Attraktionen sind. Viel wurde in den Ökotourismus investiert, man richtete Naturparks und Informationszentren ein, organisiert regelmäßig Vogel- und Schmetterlingsfestivals. Die Handelskammer von McAllen, der größten Stadt der Region, berichtet, dass jede seltene Vogelart 100 000 Dollar im Jahr in die Kassen der lokalen Wirtschaft spült. Birdwatching schaffe 2500 Arbeitsplätze. So kommt es, dass sich Ökonomen und Ökologen beim Thema Grenzzaun ausnahmsweise einmal einig sind. "Der Lebensraum am Fluss ist sehr schmal, bei einem doppelten Zaun bleibt da nichts mehr übrig", erklärt Martin Hagne, Direktor des Valley Nature Centers in Weslaco. "Wenn die Vögel erst mal weg sind, dann kommen auch die Vogelbeobachter nicht mehr."

An einem schattigen Uferplatz hat die Border Patrol einen Hochsitz aufgestellt. Von hier aus lässt sich jede Regung am Fluss beobachten. Dann und wann patrouilliert ein Hubschrauber oder ein Schnellboot. Rund zwei Millionen Mexikaner sollen pro Jahr illegal über die US-amerikanische Grenze kommen, die meisten von ihnen in Texas. Doch die Region lebt auch von all jenen Mexikanern, die am Wochenende mit ihrem Visum die Grenze überqueren und in den Shopping Malls ihr Geld lassen.

Am Riverside Club ertönt die Schiffsglocke. Täglich um eins schippert Kapitän Johnny Hart Ausflügler auf dem Rio Grande umher, vorbei an den zurückgelassenen Autoreifen am Nordufer, an den mexikanischen Anglern, die am Südufer auf den großen Fang warten, und an den knatternden Jetski-Fahrern, die an beiden Ufern zu Hause sind. "Der Fluss gehört allen", erklärt Johnny Hart. Auf dem Wasser dürfe niemand aufgegriffen werden, erst beim Betreten des anderen Ufers. Trotzdem würden dann und wann auch Mexikaner auf einen Hamburger in seinem Riverside-Club-Restaurant vorbeischauen. Er zuckt mit den Schultern. Danach führen sie halt mit dem Boot wieder zurück: "Wir wohnen hier so nah beieinander, da fühlt man sich verbunden." Dann greift er wieder zum Mikrofon: Auf einem Baum in der Uferzone sitzt ein Schwarzkehl-Trupial.

Info: Anreise: McAllen hat einen eigenen Flughafen, von Deutschland aus fliegt man zunächst bis Houston, Texas. Vor Ort braucht man einen Mietwagen, die Städte im Valley sind nicht für Fußgänger angelegt.

Führungen: Mehrere Naturparks bieten vogelkundliche Führungen an, Infos z.B. im Bentsen Rio Grande Valley State Park in Mission, Tel. 001/956/5 84 91 56, oder in den Edinburg Scenic Wetlands, Tel. 001/956/3 81 99 22, beide im Internet unter http://www.worldbirdingcenter.org.

Veranstalter: Ornithologische Reisen bei Dr. Koch Reisen, Tel. 07 21/15 11 51, Internet http://www.dr-koch-reisen.de, Albatros Tours, Tel. 0 62 51 / 22 94, http://www.albatros-tours.com, Birdingtours, Tel. 0 76 34 / 5 04 98 45, http://www.birdingtours.de.

Allgemeine Auskunft: Visitors Bureau McAllen, Tel. 001/956/6 82 28 71, http://www.mcallen.org/ Visitors; Texas Tourism, Tel. 089/2 32 32 65 14, http://www.traveltex.com.