Ein Stadtbahnzug in Stuttgart-Vaihingen: Eigentlich soll man damit an Feinstaubtagen vergünstigt fahren können, doch nicht immer erfüllt sich diese Hoffnung. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die finanziellen Anreize sind bescheiden, wenn Stuttgart bei Feinstaubalarm zum Verzicht aufs Auto aufruft. Moovel immerhin versprach Einzeltickets zum halben Preis, wenn man online kauft. Doch zahlreiche Kunden wurden enttäuscht. Abzocke oder Fehler im System?

Stuttgart - Beim Vertrieb von rabattierten VVS-Fahrkarten, die das Umsteigen von Autofahrern auf Busse und Bahnen ankurbeln sollen, ist der Wurm drin. Manche Kunden der Daimler-Tochter Moovel, die als Partnerin der Stadt Stuttgart in Erscheinung tritt, fragen sich sogar, ob hier ein Fall von Abzocke vorliegt. Möglicherweise mehreren hundert Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs sind überhöhte Fahrpreise berechnet worden.

Simone Haack (54) aus Stuttgart-Weilimdorf gehört dazu. Auf der Abrechnung ihrer Kredit- und Bankkarten hat sie drei Käufe von Fahrkarten entdeckt, die sie ihres Wissens nach nicht erhalten hat. Kaufen wollte sie aber sehr wohl. Am 18. März, dem fünften Tag des vierten Feinstaubalarms in Stuttgart, will sie mittels Smartphone im Internet eines der verbilligten Einzeltickets erwerben, die Moovel an Alarmtagen anbietet. Das hat sie früher auch schon mal gemacht. Diesmal soll es ein Zwei-Zonen-Ticket vom Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) sein. Doch die Transaktion scheitert. Und später auch noch zweimal, sagt Simone Haack. Ihr sei kein digitales Ticket auf das Mobiltelefon überspielt worden.

Nur Rechnung bekommen, keine Tickets

Sie versucht deshalb gleich telefonisch, die Firma Moovel zu erreichen, und zwar über eine Telefonnummer, die sie dem Internetauftritt der Firma entnommen habe. Sie erreicht aber nur die Warteschlange: „Alle Mitarbeiter sind in einem Gespräch. Bitte rufen Sie später an.“ Am Ende fährt sie mit einer Vier-Fahrten-Karte, die sie an einem VVS-Fahrkartenautomaten gekauft hat – und wundert sich später über die Abrechnung. Erneut nimmt sie das Telefon in die Hand – und erfährt, dass es sich um eine andere Firma Moovel handle. Dort erklärt man sich für die Abrechnung unzuständig.

Simone Haack schreibt nun E-Mails an Moovel, erhält aber keine Antwort. Recherchen im Internet bringen ihr die Erkenntnis, „dass die Nichterreichbarkeit und das Nichtreagieren von Moovel auf Mails offensichtlich Methode hat“. Es gehe in ihrem Fall zwar nur um insgesamt 3,96 Euro, sagt sie, doch vielen anderen Kunden ergehe es sicherlich ebenso.

Möglicherweise viele Kunden betroffen

Michael Kuhn, Sprecher der Mobilitätsplattform, weist den Verdacht auf Abzocke zurück. Er wartet mit einer anderen Erklärung auf: „Vor allem bei älteren Android-Geräten kann es vorkommen, dass das empfangene Ticket nicht komplett auf dem Smartphone-Display sichtbar ist.“ Die Technikkollegen seien schon an der Arbeit, um Abhilfe zu schaffen. Kommende Woche wolle man Besitzer solcher Geräte über das soziale Netzwerk Facebook aufrufen, bei der technischen Verbesserung mitzuhelfen. Simone Haack erhalte ihr Geld komplett zurück – wie zahlreiche andere Kunden auch.

Das Unternehmen muss nämlich einräumen, dass am 18. März nicht nur Simone Haack ungerechtfertigterweise zur Kasse gebeten wurde. Zunächst sagte eine Sprecherin, es habe „wenige Zwischenfälle“ gegeben. Später spricht Michael Kuhn davon, dass „möglicherweise mehrere hundert Kunden“ statt dem vergünstigten Ticketpreis der übliche Tarif berechnet worden sei. Grund sei ein Fehler im EDV-System in der Zeit zwischen 0 Uhr und 8.15 Uhr gewesen. „Wer da Probleme hatte, erhält den kompletten Geldbetrag zurück“, verspricht Kuhn. Damit kämen Betroffene nachträglich noch in den Genuss von Freifahrten.

Firma: Ältere Android-Geräte problematisch

Die Anmeldung der Ansprüche könnte aber kompliziert sein. Denn die Schwierigkeit, telefonisch oder per E-Mail zuständige Mitarbeiter zu erreichen, sind nicht allein Simone Haacks Problem. Neben der Moovel group gibt es noch das Schwesterunternehmen Moovel GmbH in Echterdingen, das für eine andere Daimler-Tochter, nämlich car2go, tätig ist. Man wisse, dass dieses Nebeneinander etwas unglücklich sei und der Klarheit nicht diene, räumt Kuhn ein. Die Mobilitätsplattform werde einen Telefonservice aufbauen. Wer nach Käufen bei ihr Kontakt aufnehmen wolle, müsse einstweilen aber noch unter der Adresse hallo@moovel.com mailen.

Simone Haack hatte unter der Adresse rechnung@accounting.moovel.com gemailt. Vier Mal. Ohne Antwort zu erhalten. Dafür machen sie und ihr Mann Klaus Haack an diesem Donnerstag nun eine überraschende Entdeckung. Plötzlich zeigt ihnen die Moovel-App auf dem Smartphone Tickets vom 18. März an, und zwar nicht nur drei, sondern gleich sechs. Das überrascht die Eheleute gleich doppelt, denn üblicherweise lösche die App die Tickets nach kurzer Zeit von selbst. Deshalb ist ihr Verdacht, dass Moovel nach der Einschaltung unserer Zeitung eilends Tickets verschickte – und dabei wieder einen Fehler machte.

Trotz modernem Handy nicht erfolgreich

Vertrauen können die Haacks der Mobilitätsplattform auch aus anderen Gründen nicht recht. Die Transaktionen, die sie beanstanden, seien am 18. März nämlich keineswegs in der Zeit zwischen 0 Uhr und 8.15 Uhr versucht worden, als laut Moovel der Systemfehler vorlag. „Das war am Nachmittag“, sagt Klaus Haack. Außerdem handle es sich bei dem Galaxy S6 seiner Frau nicht um ein älteres Android-Gerät. „Bei früheren Käufen sind die Tickets ja auch angekommen und gut sichtbar gewesen“, sagt er.