Obkjekt der Begierde und der Blog-Kritik: die Kässpätzle Foto: StN

Der Kässpätzle-Blog wagt einen kritischen Blick auf das, was als Spätzle serviert wird.

Stuttgart - Kässpätzle sind nicht gleich Kässpätzle, und die bei Mutter bleiben stets unübertroffen. Dass auch außerhalb des Schwäbischen manche Variante dem Ideal recht nahe kommt, hat Ingeborg Jaiser festgestellt. In ihrem Internetblog erfährt man, wo es die Besten gibt.

Sie werden geschabt, gepresst oder gehobelt und geben manchem Vegetarier die Möglichkeit, in einem gutbürgerlichen schwäbischen Lokal herzhaft zu essen. Ingeborg Jaiser ist Vegetarierin und Schwäbin - für sie lag es daher nahe, sich dem Thema Kässpätzle intensiver zu widmen. Auf ihrem Kässpätzle-Testesser-Blog wagt sie einen kritischen Blick auf das, was im Land als Spätzle serviert wird.

Die Vielfalt der Leibspeise vieler Schwaben

Der Kässpätzle-Blog entstand allerdings auf Umwegen, denn Blogs an sich empfand Ingeborg Jaiser, die als Bibliothekarin am Stuttgarter Max-Planck-Institut arbeitet, als "überflüssig und internetverstopfend". Bis sich die 50-jährige Böblingerin für eine PR-Aktion als Reporterin bewarb und prompt angenommen wurde. Für die "Wanderrallye 2009" war sie mit 15 anderen Amateurreportern in fünf Mittelgebirgsregionen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Italien unterwegs. Ihre Erlebnisse hielt sie im Internet-Tagebuch der Böblinger Kreiszeitung fest. Das Wandertagebuch, in dem sie auf humorige Art ihre Erlebnisse schildert (http://www.lomo.de/blog/), gefiel der Wanderrallye-Jury so gut, dass sie dafür den ersten Preis - eine einwöchige Wanderreise - erhielt. Offensichtlich hatten auch die Leser Spaß an den Erlebnissen der bloggenden Wandernovizin - bis zum Ende der Reise verzeichnete die Seite über 23.000 Zugriffe. Die Abneigung gegenüber Blogs war bei Ingeborg Jaiser damit passé.

Den Grundstein für den Kässpätzle-Blog legte ein Erlebnis im Juni vergangenen Jahres während der Wanderrallye: Acht Tage lang kämpft sich Ingeborg Jaiser zu Fuß vorwärts. Nach dem Schwarzwald um Baiersbronn und dem luxemburgischen Müllerthal durchkämmt sie schließlich das Hochsauerland, das sie als "nicht gerade lukullisches Eldorado" beschreibt. In feuchtkaltem Nieselregen steigt die Gruppe vom Clemensberg mit "kolossalem Kohldampf" herab. Als endlich die Speisekarte vor ihr liegt, traut sie ihren Augen kaum: Es gibt Kässpätzle. Im Blog ist darüber Folgendes zu lesen: "Ein kulinarischer Höhepunkt ist das Mittagessen im Heide Hotel Hildfeld, wo ich ungelogen die besten Kässpätzle nördlich des Neckars verspeiste."

Mit ihrem Kässpätzle-Testesser-Blog möchte Ingeborg Jaiser vor allem die Vielfalt der Leibspeise vieler Schwaben aufzeigen und Zutaten, Zubereitung, Präsentation sowie Service und Ambiente bewerten. Die Messlatte liegt hoch: "Die besten Spätzle macht immer die eigene Mutter", sagt Ingeborg Jaiser. Auch wenn ihre Mutter Käthe aufgrund Arthrose nicht mehr selber schaben kann, wie sie bedauert.

Eine perfekte Symbiose mit Emmentaler

Erstaunlich findet sie, dass sich die Kässpätzle längst nördlich des Neckars verbreiten. Warum nicht, schließlich könne man überall Sushi und Pizza essen. Damit dem Siegeszug der schwäbischen Kässpätzle nichts entgegensteht, wird seit einigen Monaten gekostet, was an Kässpätzle auf der Karte steht. Online bewertet werden Menge, Spätzle, Käse, Zwiebeln, Zähigkeit, Beilagen, Zubereitungszeit, Abgang, Preis und ein Gesamteindruck des Gerichts. Kurz und bündig fällt die Einleitung aus: ein paar Worte zur Lokalität, Örtlichkeit, erste Eindrücke inklusive Fotos der Gerichte.

Die Bewertung der Spätzle reicht dabei von "hausgemacht und wohlschmeckend" über "handgeschabt" bis hin zu "mehliges Fertigprodukt". Die Zähigkeit wird mit "nachhaltig Fäden ziehend", "kräftig Fäden ziehend", "sparsam Fäden ziehend" "perfekt Fäden ziehend" oder als "feucht-zäh" beschrieben. Beim "mehligen Fertigprodukt" ist nur knapp "trocken" zu lesen. Im Abgang können die Spätzle "eher nichtssagend" schmecken, "sättigend, aber nicht blähend" im Magen liegen, "würzig und deftig" munden oder idealer- weise ein "leichtes und sättigendes" Wohlgefühl verbreiten.

Eine perfekte Symbiose mit Emmentaler

Bei Ingeborg Jaisers Beschreibungen können Leser durchaus ins Schmunzeln geraten. "Guten Geschmack entdecken, erkennen und nicht mehr trennen", wie es auf der Visitenkarte eines schwäbischen Gasthauses steht, kommentiert die findige Kässpätzle-Prüferin mit "klingt eher wie das Leitbild des örtlichen Wertstoffhofes als das Credo eines Lokals mit gehobener schwäbischer Küche".

Die Kässpätzle selbst beschreibt die Testesserin als "mustergültig". Zusammen mit dem "großzügig verteilten Emmentaler" bilden sie "eine perfekte Symbiose". Die auf der Portion thronende einzelne Kiwischeibe bezeichnet Ingeborg Jaiser als "Exotismusbonus".

Da die Schwaben, wie auch Ingeborg Jaiser auf ihrem Blog vermerkt, eine der größten Gruppe von Zugereisten in Berlin bildet, darf die Verkostung in der Bundeshauptstadt und deren Bewertung im Blog nicht fehlen. Und die fällt überraschenderweise richtig gut aus: "Schmeckte fast wie bei meiner Mutter! Fettarm angeröstete Spätzle mit nicht zu viel Käse, aber reichlich Zwiebeln."

Der Kässpätzle-Testesser-Blog, den die Initiatorin noch als "reichlich beta", also noch in der Entwicklungsphase befindlich bezeichnet, wird laufend ergänzt, deshalb lohnt es sich, öfters mal vorbeizuschauen.

Den Kässpätzle-Blog finden Sie hier