Zieht Fälle von besonderer Bedeutung an sich: Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe, hier die Außenansicht der Behörde. Foto: dpa

Die Diskussion um den Tod des mutmaßlichen Terroristen Dschaber al-Bakr dauert an. Ein einheitlicher Umgang mit Verdächtigen sei nötig, so ist zu hören – auch mit Blick auf eine Videoüberwachung in der Zelle. Baden-Württemberg erlaubt eine Kameraüberwachung.

Stuttgart/Karlsruhe - Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr im Gefängnis Leipzig ist am Montag die Forderung nach bundesweit einheitlichen Regeln im Strafvollzug laut geworden. „Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise in einem Bundesland die Videoüberwachung solcher Gefangener möglich ist, in einem anderen Land dagegen nicht“, sagte der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka. Es sei deshalb notwendig, die Föderalismusreform zu korrigieren. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert gar eine permanente Videoüberwachung von mutmaßlichen Selbstmordattentätern. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer wiederum hält eine frühere Überstellung von Terrorverdächtigen zum Generalbundesanwalt nach Karlsruhe für nötig. Auch der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschuss, Ansgar Heveling (CDU), vermutet „strategische Defizite“ und stellte die Frage, warum Al-Bakr nicht zum Generalbundesanwalt verbracht wurde, der für Terrorismus zuständig ist.

Was die Videoüberwachung angeht, so gibt es diese Möglichkeit in baden-württtembergischen Haftanstalten bereits – im Gegensatz zum Freistaat Sachsen und den meisten anderen Ländern. Das Gesetzbuch über den Justizvollzug sehe „besondere Sicherungsmaßnahmen“ bis hin zur Fesselung des Gefangenen vor, wenn die Gefahr besteht, dass er flieht, Gewalt anwendet oder sich töten wolle, lautet dazu die Auskunft des Stuttgarter Justizministeriums. Die Anstaltsspitze (und nur sie) kann „zur Abwehr von erheblichen Gefahren“ auch anordnen, dass ein Häftling in besonders gesicherten Hafträumen (ohne Bett und Möbel) per Video überwacht wird. Bei mehr als zwei Wochen Dauer muss dem allerdings die Aufsichtsbehörde zustimmen. Dies werde „nur im äußersten Fall“ angewandt, so Ministeriumssprecher Robin Schray: Wenn man der Suizidgefahr nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen begegnen könne.

Besonders gesicherte Hafträume

Meist seien suizidgefährdete Gefangene nur einige Tage in besonders gesicherten Hafträumen, ehe sie zur Abklärung einer weiter gehenden Behandlung ins Vollzugskrankenhaus Hohenasperg gebracht werden. Dort gibt es die Möglichkeit, sie rund um die Uhr per Einzelsitzwache zu beobachten – oder in einem kameraüberwachten Raum mit einer Nachtsichtkamera, die kein Licht erfordert. Doch dies ist, wie gesagt, im Landesrecht verankert. Wollte der Bund Terrorgefangene im Vollzug einheitlich behandeln, müsste dies gesetzlich neu geregelt werden.

Einheitlich ist hingegen der Umgang mit Gefangenen bei den Ermittlungen und im Strafprozess. Dabei wird nicht zwischen dem Verdacht auf Terror oder anderen Delikten unterschieden. So hat im Fall des syrischstämmigen Dschaber Al-Bakr der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren bereits am Samstag, 9. Oktober, „wegen der besonderen Bedeutung des Falles“ an sich gezogen. In der politischen Diskussion taucht nun immer wieder die Frage auf: Warum ist er dann nicht in Karlsruhe vorgeführt worden? „Weil die Strafprozessordnung vorsieht, dass der Beschuldigte demjenigen Richter vorgeführt werden muss, der den Haftbefehl gegen ihn erlassen hat“, sagt Stefan Biehl, stellvertretender Pressesprecher des Generalbundesanwalts. Das sei eben der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Dresden gewesen. Biehl: „Deswegen hatten wir keine andere Möglichkeit.“

Haftbefehl aus Dresden

Hätte Al-Bakr sich nicht umgebracht, hätte der Generalbundesanwalt allerdings nach einigen Tagen beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs eine Anpassung des Haftbefehls auf die Bundeszuständigkeit beantragt, so Biehl. Al-Bakr wäre also Ende letzter oder Anfang dieser Woche nach Karlsruhe gekommen, um dort nochmals vorgeführt zu werden. Biehl: „Dazu bestand aber vergangene Woche noch kein Anlass und auch keine Dringlichkeit.“ Anschließend wäre der mutmaßliche Terrorist dann wieder nach Sachsen zurück gebracht worden – und nicht etwa nach Stuttgart-Stammheim, das wegen seiner RAF-Erfahrung in den letzten Tagen immer wieder ins Gespräch gebracht worden war. Biehl: „Wir verteilen die Beschuldigten in die Haftanstalten, die in der Nähe des künftigen Gerichtsorts sind, um kürzere Wege zu haben.“ Grundsätzlich hätte sich also das Problem der Häftlingsunterbringung in Sachsen nicht gelöst. Dass sogenannte „Bundesgefangene“ beim Bundesgerichtshof vorgeführt werden, ist durchaus die Regel. Laut Justizministerium bleiben diese aber meist nur wenige Tage in einer Vollzugsanstalt in Karlsruhe oder in der Nähe (etwa Bruchsal), um nach der Eröffnung des Haftbefehls wieder in ihre ursprüngliche Anstalt zurückzukehren.

In den kommenden Tagen soll der mutmaßliche Komplize von Al-Bakr, Chalil A., einem Haftrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Der 33 Jahre alte Syrer, der derzeit in Dresden in Untersuchungshaft sitzt, soll dazu im Laufe der Woche nach Karlsruhe gebracht werden.