In Trauer: türkische Demonstranten nach dem Doppel-Terroranschlag in Istanbul Foto: dpa

Es wäre schäbig, den brutalen Doppel-Terroranschlag in Istanbul mit der Kurden-Politik der türkischen Regierung zu entschuldigen. Aber Anlass, diese Politik zu ändern gibt es, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Ja, die Türkei verdient Solidarität. In dem Moment, in dem das Land vom vierten schweren Terroranschlag dieses Jahres durch mutmaßlich kurdisch-nationalistische Täter getroffen wird, verlieren die aktuell erheblichen Belastungen der deutsch-türkischen Beziehungen jede Bedeutung. Das gebieten Menschlichkeit und Mitgefühl mit den Toten, den Verletzten und ihren Angehörigen. Außerdem gilt unter Deutschen wie unter Türken der Grundsatz: Terrorismus ist kein hinnehmbares Mittel politischer Auseinandersetzung.

Gemeinsam gegen alle vorzugehen, die voller Heimtücke und Brutalität dieses Mittel anwenden, bleibt für die Türkei wie für Deutschland gemeinsame Bündnispartner-Pflicht. Dem Wort des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von der „Pest des Terrorismus“ ist schließlich nichts hinzuzufügen – und nichts zu hinterfragen an der Zusicherung der Bundesregierung, die Türkei im Kampf gegen diese Pest nach Kräften zu unterstützen.

Diese Politik entschuldigt keinen Terrorismus

Mit Blick nach vorn muss sich Erdogan allerdings fragen lassen, wie hilfreich es ist, dass er den Umgang mit der kurdischen Minderheit im eigenen Land seit dem vergangenem Jahr konsequent militarisiert. Dass schwere Waffen in den Einsätzen des Militärs in den Kurdengebieten immer stärker zum Einsatz kommen, während die zivile Justiz dort kaum mehr eine Rolle spielt. Dass Abgeordnete der Kurdenpartei HDP bedrängt und schikaniert werden. Diese Politik entschuldigt keinen Terrorismus. Aber sie macht es schwer, die Terroristen von ihrem Umfeld zu trennen und zu isolieren. Deshalb ist sie falsch.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de