Während der neue iranische Staatspräsident in New York weilte, gingen die Hinrichtungen im Iran weiter. Foto: dpa/Ahmed Jalil

Ein Bericht der Vereinen Nationen wirft Teheran Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Über die Folgen diskutierten Experten in Berlin.

Nach außen ist das iranische Mullah-Regime weiter bestrebt, die Fassade einer stabilen und unangefochtenen Herrschaft zu vermitteln. Das zeigt auch die Anwesenheit des neu gewählten iranischen Staatspräsidenten Massud Peseschkian bei der UN-Generalversammlung in New York. Nach innen aber geht der Kurs der brutalen Repression weiter. Der Iranische Widerstandsrat gibt die Zahl der hingerichteten Gefangenen im Iran seit dem Amtsantritt Peseschkians mit 191 an.

 

Die Verbrechen dauern bis heute an

Tatsächlich aber nimmt der Druck auf das Regime zu. Für die Mullahs war der 17. Juli dieses Jahres kein gutes Datum. Bis zuletzt versuchten sie die Veröffentlichung des Berichts von Javaid Rehman zu verhindern. Rehman ist der UN-Sonderbeauftragte für die Menschenrechtslage im Iran. Er hatte in einer intensiven Recherche unter anderem das Massaker des Jahres 1988 untersucht, bei dem 30 000 politische Gefangene hingerichtet wurden. Gleichzeitig ging er den Umständen der Folterungen und Hinrichtungen von Tausenden Dissidenten zwischen Juni 1981 und März 1982 nach.

Rehmans Urteil nach zahlreichen Interviews mit Zeugen und dem Studium der verfügbaren Unterlagen ist eindeutig. Er spricht dezidiert von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Völkermord“. Seine Analysen zu den Ereignissen von 1988 münden in dem Satz: „In Anbetracht der dem Sonderberichterstatter vorliegenden Beweise ist er zu der Auffassung gelangt, dass die Gräueltaten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere die Ermordung tausender politischer Gefangener durch willkürliche, summarische und außergerichtliche Hinrichtungen, Folter, Verfolgung und gewaltsames Verschwindenlassen und andere unmenschliche Handlungen gegen politische Gefangene sowie Völkermord in der Islamischen Republik Iran zwischen Ende Juli und Ende September 1988 stattgefunden haben.“ Und er fügt an, dass die Verbrechen bis heute andauern.

Im Iran kann niemand Wahrheit und Gerechtigkeit suchen

Die Ergebnisse des Berichtes sind so eindeutig, dass sich die Frage nach der rechtlichen Verfolgbarkeit unmittelbar stellt. Rehman wirft sie selbst auf. Im Land selbst kann das nicht geschehen. „Derzeit gibt es in der Islamischen Republik Iran keine Möglichkeiten, Wahrheit und Gerechtigkeit zu suchen“, heißt es in seinem Bericht. Er fordert die UN-Mitgliedstaaten auf, „von der universellen Gerichtsbarkeit Gebrauch zu machen“, damit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord und anderer schwerer Menschenrechtsverletzungen, die Verbrechen nach dem Völkerrecht darstellen“ verfolgt werden können.

Wie kann das geschehen? Unter anderem damit hat sich nun in Berlin eine Konferenz befasst, zu der unter anderem Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth eingeladen hatte. Die ehemalige Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin (SPD), Teilnehmerin an dem Austausch, nannte den Rehmann-Bericht „erschütternd“ und die „verbrecherische Energie der Mullahs absolut schockierend“. Mit dem Bericht bestünden nun aber „Grundlagen für offizielle Ermittlungen gegen das iranische Regime“.

Deutscher Experte für Tribunal nach Vorbild Jugoslawiens

Bis dahin gibt es allerdings viele rechtliche Hürden zu überwinden. Auch deshalb, weil die herkömmlichen Bestimmungen der Völkermordkonvention nur auf nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppen beschränkt sind. Damit wären Mitglieder der politischen Opposition ausgeschlossen.

Wolfgang Schomburg ist ein in derlei Fragen kundiger Jurist. Er war nicht nur Richter am Bundesgerichtshof, sondern auch Mitglied des Jugoslawien- und des Ruanda-Strafgerichtshofs der UN. Er weist im Gespräch mit unserer Zeitung darauf hin, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) „ derzeit mit akuten Fällen überlastet“ sei und „die Zeit von 1988 bis zur der Errichtung des IStGH nicht in dessen Zuständigkeit fiele“. Aus seiner Sicht sei es deshalb an der Zeit, etwa nach den Beispielen von Ruanda oder dem früheren Jugoslawien „ein Tribunal zu errichten, dessen Aufgabe es ist, die schwersten internationalen Verbrechen zu verfolgen, die seit 1988 auf dem Territorium des Iran begangen wurden“.