Kurz vor Weihnachten wurde der 29-jährige Tatverdächtige von Polizisten zum Haftrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht. Foto: dpa

Welche Rolle spielt ein V-Mann beim Karlsruher Terrorverdächtigen? Auch aufgrund der Aussage des V-Mannes wurde der 29-Jährige festgenommen. Der Verdächtige wiederum hat zuvor den V-Mann angezeigt.

Stuttgart - Nach Medienberichten über die Mitwirkung eines V-Mannes bei der Verhaftung des Terrorverdächtigen Dasbar W., der einen Anschlag auf die Eisbahn am Karlsruher Weihnachtsmarkt geplant haben soll, sehen die Sicherheitsbehörden keinen Anlass, ihre Bewertung der Lage zu ändern.

Nach Informationen des Recherchenetzwerks von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und NDR soll der in Freiburg geborene 29-jährige Deutsche, der irakisch-kurdische Wurzeln hat, vor seiner Verhaftung einen V-Mann des Landeskriminalamtes (LKA) Baden-Württemberg zweimal angeschwärzt und gegen ihn selbst einen Terrorverdacht formuliert haben – konkret bezogen auf den Karlsruher Weihnachtsmarkt. Noch am vergangenen Donnerstag, wenige Stunden vor seiner Verhaftung durch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, soll sich Dasbar W. laut Auskunft seines Anwalts erneut freiwillig zur Polizei begeben haben, um seine Vorwürfe gegen den V-Mann zu wiederholen. Die ersten Beschuldigungen gegen den V-Mann sollen am 27. November auf einer Polizeiwache in Karlsruhe erfolgt sein.

Der Haftbefehl gegen Dasbar W. bleibt bestehen

Wie eine Pressesprecherin des Generalbundesanwaltes in Karlsruhe unserer Zeitung gegenüber bestätigte, wird der Haftbefehl gegen Dasbar W. aufrecht erhalten. Er stütze sich nicht nur auf Angaben des V-Mannes, sondern auf Erkenntnisse aus länger andauernden – auch technischen – Überwachungsmaßnahmen. „In der jüngsten Berichterstattung über den Fall W. findet sich nichts, was uns nicht bekannt gewesen wäre und was wir nicht in unsere Erwägungen einbezogen hätten“, sagte die Sprecherin. Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) habe ebenfalls einen dringenden Tatverdacht gesehen und deshalb den Haftbefehl gegen Dasbar W. erlassen.

Gegen den V-Mann, so die Sprecherin, werde derzeit nicht ermittelt. Es fehlten neben den Anschuldigungen von Dasbar W. bislang „ausreichende zusätzliche Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht“. In der Bundesanwaltschaft geht man davon aus, dass Dasbar W. durch das Anschwärzen des V-Mannes, einem Mann türkischer Herkunft, mit dem Dasbar W. offenbar befreundet war und mit dem er sich gelegentlich traf, von seinen eigenen Plänen und Handlungen ablenken wollte. Man wertet dies als einen Versuch der Irreführung. Laut Recherchenetzwerk sollen sich Dasbar W. und der V-Mann, beide Muslime, bei einem Lehrgang für Gabelstapelfahrer kennengelernt haben. Der V-Mann habe die Beziehung zu Dasbar W. einmal so beschrieben: „Wir denken beide voneinander, dass wir radikale Islamisten sind.“ Offenbar sprachen beide hinter dem Rücken des jeweils anderen mit der Polizei.

Leichte Zweifel an der Glaubwürdigkeit des V-Mannes

Unstrittig sind Erkenntnisse, wonach Dasbar W. seit 2015 in der islamistischen Szene unterwegs ist und in Chatrooms im Internet Propaganda für die Terrormiliz IS verbreitet hat. Auch meldete der Bundesnachrichtendienst im August, dass W. bei einem Besuch seiner Familie im Nordirak den Kontakt zu Mitgliedern des IS gesucht habe Ob er sie fand, ist unklar. Aber weitergehende Anschuldigungen, insbesondere die, dass Dasbar W. im Irak einen Auftrag für einen Anschlag in Europa von einem hochrangigen IS-Mann erhalten haben soll, beruhen einzig und allein auf der Aussage des V-Mannes. Dies trifft auch auf W.s angebliche Aussage zu, wenn er an den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt denke, bekomme er einen „Orgasmus“. Quelle für diese Aussagen sind nur Vier-Augen-Gespräche zwischen dem V-Mann und Dasbar W.

An der Glaubwürdigkeit des 50-jährigen V-Mannes aber bestehen offenbar leichte Zweifel. Schon einmal sei er ertappt worden, „wie er seinen Ansprechpartnern beim LKA nur die halbe Wahrheit erzählt“ habe, berichtet das Recherchenetzwerk. Aufgrund „fehlender objektiver Überprüfungsmöglichkeiten“ der Aussagen des V-Mannes über Dasbar W. könne „keine abschließende Bewertung des Wahrheitsgehaltes erfolgen“, heißt es dort.

Anfragen unserer Zeitung an das Landeskriminalamt wies ein Behördensprecher ab: „Zu dem Sachverhalt äußern wir uns gar nicht.“ Ein Sprecher des Landesinnenministeriums sagte, wie auch immer das Zusammenspiel des V-Mannes mit dem Tatverdächtigen ausgesehen haben mag, an der Einschätzung des Ministeriums ändere das nichts: mit W.s Festnahme hätten die Sicherheitsbehörden auf eine „sehr ernste Bedrohung“ reagiert.