Fahrschüler brauchen derzeit oft viel Geduld. Nach dem Lockdown herrscht beim Tüv Prüfungsstau. Und die Fahranfänger zahlen oft drauf.
Stuttgart - In den Fahrschulen warten Neulinge derzeit wochenlang auf Termine für die praktische Prüfung hinterm Steuer. Auf die entscheidende Runde und den heiß ersehnten Führerschein müssen Anfänger nach Angaben des Tüv Süd bis zu vier Wochen, manchmal bis zu sechs Wochen warten. „Während der beiden Lockdowns im vergangenen Jahr und in diesem Jahr durften Fahrschüler nicht ausgebildet werden und konnten somit auch nicht geprüft werden“, sagte ein Sprecher der Prüfstelle. Nun sei die Nachfrage hoch. Vor der Pandemie lag die durchschnittliche Wartezeit laut Tüv noch bei ein bis drei Wochen.
„Die Fahrschulen in ganz Baden-Württemberg beschweren sich massiv über die Terminvergabe“, sagte Jochen Klima, der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg. „Das Problem nur auf Corona zu schieben, ist unglaubwürdig“, sagte der 62-Jährige weiter. Ursache sei die Optimierte Praktische Fahrerlaubnisprüfung (OPFEP), die es seit Jahresbeginn gibt. Seitdem dauern Fahrprüfungen statt 45 nun 55 Minuten. „Ein Prüfer kann statt elf nur noch neun Prüfungen abnehmen“, erklärte Klima. Der Tüv habe seine Kapazitäten nicht erhöht.
Fahrschüler zahlen oft drauf
Ein weiteres Problem: „Wegen der Wartezeiten nehmen die Fahrschüler vor der Prüfung noch mal Stunden, um nicht aus der Übung zu kommen“, sagte Peter Hörnle, ein Fahrlehrer in Ochsenhausen (Landkreis Biberach). Zwei bis vier Stunden seien das durchschnittlich. Dadurch werde der Führerschein für sie teurer. „Es braucht mehr Prüfer oder der Tüv muss sein Monopol bei den Fahrprüfungen verlieren“, forderte der 57-Jährige.
Außerdem wüssten Fahrschulen und ihre Schüler nicht mehr so gut wie früher, wann sie einen Termin für eine Prüfung bekommen könnten, sagte Hörnle, dessen Fahrschule es seit 1995 gibt. „Wir können keine Prognosen mehr abgeben, wann es einen Prüfungstermin für die Fahrschüler gibt. Das ist für sie und uns frustrierend.“
Tüv Süd macht wenig Hoffnung
Der Tüv Süd hat nach eigenen Angaben schon 2020 auf die Situation reagiert, neue Mitarbeiter eingestellt und zusätzliche Prüftermine an Samstagen angeboten, um die Zahl der Abnahmen zu erhöhen. Hoffnung macht er den Fahrschülern der kommenden Monate aber nicht: Der Engpass werde voraussichtlich bis in das Jahr 2022 bestehen.
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Immerhin wird den Prüflingen mehr Zeit fürs Vorbereiten auf die Prüfung gewährt. Statt einer Frist von einem Jahr zwischen Theorie- und Praxis, hat das Landesverkehrsministerium den Zeitraum ausgedehnt. Fristen, die bis zum Jahresende auslaufen, wurden im Frühjahr um fünf Monate verlängert. Zuvor hatte es bereits einen Aufschub zunächst um zwölf Monate gegeben.
„Der Tüv bremst sie aus“
Jochen Klima vom Fahrlehrerverband hält die vorübergehende Rückkehr zur 45-Minuten-Prüfung für einen möglichen Weg aus der Misere. „Normalerweise kann man den Führerschein in einem halben Jahr schaffen, aber das können die Fahrlehrer den Schülern gerade nicht zusagen. Der Tüv bremst sie aus“, monierte der Verbandschef, der rund 1700 Mitglieder im Südwesten vertritt.
Der Biberacher SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster stärkt den Fahrschulen den Rücken: „Es kann nicht sein, dass Tausende Prüflinge auf Termine warten“, sagte er. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müsse schnell prüfen, wie die langen Wartezeiten auf Prüftermine bekämpft werden könnten. Auch er hält es für denkbar, zur kürzeren Prüfung zurückzukehren.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der abgelegten Fahrprüfungen bundesweit und in Baden-Württemberg zurückgegangen. Rund 216 500 praktische Prüfungen zählte das Kraftfahrtbundesamt im Südwesten. Das war ein Rückgang von mehr als neun Prozent im Vergleich zu 2019. Bundesweit lag der Rückgang im Vergleich zu 2019 laut Kraftfahrtbundesamt bei etwa elf Prozent.