Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn (rechts) diskutiert mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Norbert Metke (Mitte), wie sich das Wartezeitenproblem bei Fachärzten in Griff bekommen lässt. Durch das Gespräch führt Willi Reiners (links), stellvertretender Ressortleiter Politik, der Stuttgarter Nachrichten. Foto: KVBW

Niemand soll länger als vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten müssen – doch das darf nicht die einzige Veränderung sein, fordert Norbert Metke von der Kassenärztlichen Vereinbarung beim Forum Gesundheit der Stuttgarter Nachrichten mit dem CDU-Gesundheitsexperten Jens Spahn.

Stuttgart - Politiker müsste man sein, Experte im Gesundheitswesen obendrein – schon klappt’s auch mit dem schnellen Arzttermin. Morgens um sieben darf Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, schon seinen Hausarzt aufsuchen. Es genügt ein Anruf am Tag zuvor. „Ich bin da privilegiert“, sagt Spahn auch prompt. Er weiß: Der Großteil des Publikums, das an diesem Abend beim Forum Gesundheit im Diakonie-Klinikum Stuttgart vor ihm sitzt, muss bei der Vereinbarung von Arztterminen mehr Geduld aufbringen.

Nach einer Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung muss sich aktuell jeder vierte Patient im Schnitt drei Wochen gedulden, bis er beim Facharzt vorsprechen darf. Sogar in akuten Fällen müssen 52 Prozent länger als drei Tage warten – das gilt insbesondere bei Neurologen, Augenärzten, Kardiologen und den Orthopäden, wie eine Forsa-Umfrage der Techniker Krankenkasse unter 2000 Befragten ergeben hat, deren Ergebnisse nun veröffentlicht wurden.

Per Gesetz sollen Fachärzte zur Termingarantie gezwungen werden

„Wir haben in der Bundesrepublik definitiv ein Wartezeitenproblem“, sagt Norbert Metke, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg, der zusammen mit Spahn auf dem Podium des Forums Gesundheit sitzt, das unsere Zeitung gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse veranstaltet. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) ist es auch, die dabei helfen soll, dieses Problem endlich zu lösen, an dem sich die Politik seit Jahren die Zähne ausbeißt: Erst forderte die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) Facharzttermine innerhalb einer Woche – vergeblich. Ihr Nachfolger Daniel Bahr (FDP) drohte den Ärzten mit Strafzahlungen – ohne Ergebnis. Jetzt also Hermann Gröhe (CDU): Per Gesetz will er die Fachärzte zu einer Termingarantie zwingen. Innerhalb von vier Wochen soll jeder Patient einen Termin bekommen. Dafür sollen Servicestellen der KV sorgen. Sonst droht eine Budgetkürzung.

Gegen die Termingarantie sei nichts einzuwenden, allerdings löse diese nur einen Teil des Wartezeitenproblems, so Metke. „Grundsätzlich wäre es sinnvoll und auch besser, wenn man die Ursachen für die Wartezeiten angeht und nicht versucht allein das Symptom zu kurieren.“ So fordert Metke unter anderem eine vernünftige Patientensteuerung.“ Kommen doch die langen Fristen auch deswegen zustande, weil Patienten sich nicht mehr die Mühe machen, mit ihrem Leiden erst zum Hausarzt zu gehen, sondern ohne Überweisung bei den Fachärzten auflaufen. „Jeder dappt hin, wo er gerade hinwill“, sagt Metke. „Das sind dann die Leute, die unsere Praxen verstopfen.“ Zwar wendet Spahn ein, dass die geplante Termingarantie auch dieses Problem lösen würde: „Die Leute haben die Wahl: nehme ich das Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung an und lasse mir zeitnah einen Termin vermitteln, oder aber ich will zu meinem Wunsch-Facharzt, nehme dann aber längere Wartezeiten in Kauf.“ Metke bleibt skeptisch: „Es braucht eine Patientenregelung, die über die Hausärzte abgewickelt wird.“

Nur: Auch das wird nicht überall den Patienten zu kürzeren Wartezeiten verhelfen. Denn auch die Ärzte sind nicht überall gleich verteilt. Manche Städte können sich vor Fachärzten gar nicht retten: Etwa im nordrhein-westfälischen Münster, Spahns Heimatregion, in der es seiner Meinung nach mehr Psychotherapeuten als Patienten gibt. „Das führt dazu, dass die Ärzte ihre Praxen schon um 14 Uhr schließen können.“ Im angrenzenden Sauerland, müsste man für eine Therapie beim Facharzt sehr weit fahren.

Ärzte werden noch nach völlig veralteten Maßstäben im Land verteilt

Grund für diese Unter- und Überversorgung ist die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie entscheidet darüber, in welchem Kreis sich noch Fachärzte ansiedeln dürfen und wo nicht. Danach gibt es in vielen Regionen genügend Ärzte. Eine Unterversorgung gibt es laut Statistik kaum. Nur orientiert sich diese noch immer auf der Ärzteverteilung von 1993. Seit mehr als 20 Jahren gilt diese immer noch als Maßstab für die Bedarfsplanung und wurde allenfalls leicht angepasst.

Dass diese veralteten Zahlen unmöglich weiter als Maßstab dienen können, wo sich wie viele Fachärzte ansiedeln können, weiß auch Metke: „Wir brauchen eine neue wissenschaftlich fundierte Bedarfsplanung, die genau erfasst, wie es um die Krankheitslast in der jeweiligen Region bestellt ist.“

In überraschend vielen Punkten sind sich Metke und Spahn an diesem Abend beim Forum Gesundheit einig. Der Politiker stimmt dem Ärztefunktionär zu, dass man auch um eine Reform der Ärztehonorierung nicht herumkommen wird. Das ist dann aber schon die überübernächste Gesundheitsreform. „Es ist gut, dass Sie noch so jung sind“, sagt Metke zum 34-Jährigen Spahn. So habe er gute Chancen, dass alles noch zu erleben. Und vielleicht in verantwortlicher Position sogar selbst mit umsetzen zu können.