Terézia Mora. Foto: dpa

Die ungarisch-deutsche Autorin Terézia Mora war zu Gast im Literaturhaus Stuttgart. Dort unterhielt sie sich über das Schreiben zwischen zwei Sprachen und über ihren neuesten Roman „Das Ungeheuer".

Die ungarisch-deutsche Autorin Terézia Mora war zu Gast im Literaturhaus Stuttgart. Dort unterhielt sie sich über das Schreiben zwischen zwei Sprachen und über ihren neuesten Roman „Das Ungeheuer".

Stuttgart - Terézia Mora spricht mit ihren Figuren. Sie spricht mit Darius Kopp, dem Mann, der im Mittelpunkt ihres Romans „Das Ungeheuer“ steht. Dieses Zwiegespräch mit einem Erfundenen, ein Dialog, der im Satz selbst stattfindet, sagt sie, sei es, was sie an ihrer Arbeit am meisten liebe. Im Oktober erhielt Mora für ihren Roman den Deutschen Buchpreis, und am Dienstagabend ist sie im gut besuchten Literaturhaus zu Gast. Uwe Kossack heißt ihr realer Gesprächspartner dort, mit ihm spricht sie über Arbeit, Schreibhaltung, Sprache. Mora wurde 1971 in Ungarn geboren, wuchs zweisprachig auf, lebt in Berlin. Teile ihres Romans, erfährt man nun von ihr, schrieb sie in Ungarisch, um sie sodann ins Deutsche zu übertragen – eine neue Stimme, einen neuen Ton wollte sie finden, und auf diese Weise nicht nur eine literarisch verstellte Stimme erschaffen. Und die Reise ihres Antihelden Darius Kopp durch das östliche Europa – Terézia Mora hat sie selbst unternommen, hat die Stationen, zu denen sie Kopp schickte, selbst besucht: „Ich bin die Strecke abgereist, hatte aber mit mehr Fremdheitsgefühlen gerechnet.“

Ein Antiheld ist Darius Kopp, weil er alles verloren hat, was ihn am Leben hielt. In jenem Buch, in dem Terézia Mora ihn erstmals auftreten ließ, „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ von 2009, war es sein Beruf in der Kommunikationsbranche, den er verlor. Und nun starb Flora, seine Frau, durch Selbstmord. Kopp reist in den Osten, in Floras Heimat, sucht nach einem Ort, an dem er ihre Asche beisetzen könnte, liest auf dieser Reise in ihren geheimen Tagebüchern und lernt so als Reisender zugleich eine andere, dunklere Seite seiner Frau kennen – eine Geschichte von Liebe und Geworfenheit. „Wir können einen anderen Menschen nur bis zu einem gewissen Punkt verstehen“, sagt Terézia Mora, „und das ist auch okay.“

„Das Ungeheuer“ ist ein Buch, das durchdrungen ist vom Zwiegespräch. Es findet bereits auf den Buchseiten durch deren Teilung in zwei unabhängige Blöcke statt – einer von ihnen erzählt von Darius Kopps Reise, der andere gibt Floras Aufzeichnungen wieder. Diese Passagen sind es, die Mora auf Ungarisch schrieb, aus ihnen will sie nicht lesen, sie sollen der geheime Text des Buches bleiben. Der obere Teil der Seite gehört Kopp und dem auktorialen Erzähler, dem Terézia Mora großes Misstrauen entgegen bringt, der untere Teil der Seite wird zur fragmentarisch gebrochenen Reise in die Depression. Darius Kopp wird begleitet von der Abwesenheit seiner Geliebten, von einem desaströsen weiblichen Unbewussten: „Von unten sagt der Text: ‚Ich bin auch noch hier.‘“

Terézia Mora liest im Literaturhaus zwei Kapitel aus ihrem Buch. Sie liest lange, sehr lange, und jeder lauscht ihr bis zuletzt. Formulierte sie eben noch im Gespräch mit Kossack ihre Aussagen schnell, genau, ohne zu zögern, scheint sie als Vorleserin ihres eigenen Werks eine andere Welt zu betreten. Ihre Stimme wird weich, nimmt einen erzählerischen, melancholischen Grundton an, verwandelt ihre Prosa in ein Spiel der Stimmen und Stimmungen, in das Selbstgespräch eines Mannes, der langsam an seinem Verlust reift: „Nach und nach lernst du, wie fragil alles ist.“

Ob sie ihre Sätze laut beim Schreiben erprobe, fragt Uwe Kossack Terézia Mora. Nein, sagt sie und fügt hinzu: „Ich finde es unvorstellbar, dass jemand einen unmusikalischen Satz schreiben könnte. Wozu auch?“