Roger Federer in Stuttgart: Auch die letzte Frage beantwortet er noch engagiert und freundlich. Foto: AFP

Der Schweizer Starspieler will auf dem Weissenhof eine bisher schwierige Saison noch zum Guten wenden. Zuletzt musste er die French Open in Paris auslassen, schlägt jetzt aber in Stuttgart auf.

Stuttgart - Die nachfolgende Anekdote ist vor allem deshalb wertvoll, weil sie zeigt, dass auch ein 17-facher Grand-Slam-Sieger, Multimillionär, Tennis-Superstar und Weltbürger gegen die Tücken des Alltags nicht immun ist. Es war Ende Januar, Roger Federer hatte bei den Australian Open gerade gegen Novak Djokovic im Semifinale verloren, als der Schweizer Vierfachpapa seinen Kindern im Hotel das Badewasser einlassen wollte. Auf dem Weg zur Wanne aber rutschte der 34-Jährige unglücklich aus - und zog sich einen Meniskusriss zu. Die Folge der Knieverletzung waren eine Operation Anfang Februar – und eine längere Tennispause.

„Wenn ich hier in Stuttgart ein paar gute Rasenspiele mache, wäre es eine tolle Woche. Wenn ich ins Finale käme, wäre es eine fantastische Woche – und wenn ich das Turnier gewänne, wäre das ein Traum“, sagt Roger Federer, der erstmals in seiner Karriere auf dem Weissenhof antritt. Der Star („sonst ist immer der Turniersieg mein Ziel“) ist bescheidener geworden.

Training auf der Anlage des TC Weissenhof mit Philipp Kohlschreiber

Denn das Badenwannen-Debakel von Down Under bildete für Federer ja lediglich den Auftakt „eines bisher schwierigen Jahres – um es freundlich auszudrücken.“ Nach 65 Grand-Slam-Auftritten in Serie hatte die Nummer drei der Weltrangliste, der einstige Tennis-Dominator mit der eleganten Rückhand, unmittelbar vor Stuttgart auch die French Open absagen müssen. Diesmal schmerzte der Rücken. „Es wäre ein unnötiges Risiko gewesen“, erklärt Federer in der Tennishalle des TC Weissenhof, „denn es geht um die restliche Saison, meine Gesundheit und um mein weiteres Leben. Die Pause war richtig.“

Zuhause in Wollerau, einer Steuer-Oase im Kanton Schwyz am Zürich-See, hat Federer die vergangenen Tage verbracht. Tennis, den French-Open-Sieg der Nummer eins Novak Djokovic, das alles hat er aber nur aus der Ferne verfolgt. „Wenn ich schon mal zuhause bin und mehr Zeit für die Kinder habe“, sagt Federer, der mit seiner Frau Mirka die Zwillingstöchter Myla und Charlene (6 Jahre) sowie die Zwillingssöhne Leo und Lenny (3 Jahre) hat, „dann will ich nicht vor dem Fernseher sitzen.“

Neben viel Zeit im Fitnessraum und beim Physiotherapeuten hat Federer bereits zweimal auf Rasen gespielt, ehe er am Montagmittag auf der Anlage des TC Weissenhof mit Philipp Kohlschreiber trainierte. Auf grünem Geläuf spielt der Meister am liebsten, was allein seine sieben Wimbledonsiege belegen. „Der Rasen hat’s möglich gemacht“, jubiliert der Stuttgarter Turnierdirektor Edwin Weindorfer, der nach Rafael Nadal im Vorjahr den nächsten Superstar beim Mercedescup präsentiert. Damit Federer, der auch 2017 in Stuttgart aufschlagen wird, zusagt, musste der Österreicher aber eine Antrittsprämie im höheren sechsstelligen Bereich überweisen. Ein von Donnerstag an mit 6000 Fans vollbesetzter Centre-Court, das ist nach den Gesetzen der Branche die Gegenleistung bei einem Turnier, dessen Sieger neben den 107 900 Euro an Preisgeld auch noch ein roter Mercedes SL 500 zusteht.

Der Schweizer Maestro besticht mit vorbildlicher Professionalität

Bei all dem Rummel um seine Person ist der „Fed-Express“, der von 2004 bis 2007 sowie 2009 die Saison als Nummer eins beendete, erfrischend normal geblieben. Während sich etwa der deutsche Jungstar Alexander Zverev, der in Stuttgart zweimal eine Wildcard erhielt, als 41. der Welt schmollend vom Turnier abwendet, weil seine Gagenforderungen nicht erfüllt wurden, besticht der Schweizer Maestro mit vorbildlicher Professionalität. Bei Autogrammstunden und Sponsorenterminen verzichtet der 34-Jährige auf jegliches Stargehabe, auf Pressekonferenzen beantwortet er auch die letzte Frage noch engagiert und freundlich. Der Sohn einer Südafrikanerin und eines Baselers, der an der Schweizer Tennis-Akademie unweit des Genfer Sees ausgebildet wurde, gibt seine Antworten wahlweise in Deutsch, Schwyzerdütsch, Französisch oder Englisch.

Am Zürichsee, wo er etwa in der Nachbarschaft der Poplegende Tina Turner lebt, aber auch in seinem Chalet in Lenzerheide im Bündnerland kann sich Federer noch einigermaßen ungezwungen bewegen. Denn in der Schweiz können auch Sportstars mit Diskretion rechnen. Damit ist es in dieser Woche allerdings vorbei, wenn Federer erstmals seit 15 Jahren, wo er als junger Nobody beim Masters in der Schleyerhalle antrat, wieder in Stuttgart aufschlägt. „Es ist für mich sehr speziell hier. Nach all den Jahren auf der Tour erlebe ich in Stuttgart etwas Neues“, sagt Federer, für den der Weissenhof den Auftakt der Rasensaison bildet. Dieser „Wimbledon-Swing“ soll letztlich auf dem Heiligen Rasen in London möglichst ohne Ausrutscher enden.