Ein Kuss für den Pokal: Alexander Zverev ist erneut Tennis-Weltmeister. Foto: dpa/Marco Alpozzi

Nach dem Olympiasieg holt sich Alexander Zverev erneut den Titel bei der Tennis-WM – und trotzdem gehen ihm die Ziele nicht aus. Wann er das nächste erreicht? Ist nach Meinung unseres Autors Jochen Klingovsky nur eine Frage der Zeit.

Stuttgart - Das Lob kam von berufener Stelle. „Unglaubliche Leistung von Dir!“, schrieb Boris Becker bei Instagram, und der frühere Tennis-Superstar wusste, wovon er spricht. Becker war 1988, 1992 und 1995 selbst Tennis-Weltmeister, nun freute er sich mit seinem Nachfolger: Alexander Zverev sicherte sich am Sonntagabend in Turin seinen zweiten WM-Titel nach 2018 und krönte zugleich ein höchst beeindruckendes Jahr – in dem er nicht nur sechs Turniere und rund 5,8 Millionen Euro Preisgeld gewann. Sondern auch viele Sympathien.

 

Zverev, der früher den Ruf hatte, leicht abgehoben und arrogant zu sein und dies mit dem einen oder anderen überflüssigen Auftritt während des Corona-Lockdowns 2020 bestätigte, schaffte die Trendwende bei den Olympischen Spielen im Juli und August. Dort holte er nach einer sensationellen Leistung im Halbfinale gegen Novak Djokovic nicht nur Gold, er zeigte als Mitglied im Team D auch eine neue Seite von sich. „Ich habe gespürt, wie mich Millionen von Leuten unterstützen. Für ein ganzes Land zu spielen, ist ein unfassbares Gefühl“, sagte er, „diese Goldmedaille ist nicht für mich, sie ist für Deutschland. Für alle.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: So wurde Zverev Tennis-Weltmeister

Zu viel an Pathos? Mag sein. Trotzdem gelang es Zverev in Tokio, sein Image nachhaltig zu verbessern. Zugleich ließ er sportlich einfach nicht nach. Bei den US Open scheiterte er erst im Halbfinale an Djokovic, nun schlug er den großen Rivalen bei der WM in Turin in der Vorschlussrunde und triumphierte anschließend im Finale gegen den Russen Daniil Medwedew. Es war ein herausragender Jahresabschluss, am Limit ist Zverev deshalb aber noch lange nicht.

Günstiger Zeitpunkt

Das Schöne am Sport ist ja, dass einem die Ziele nie ausgehen. Zverev wartet immer noch auf seinen ersten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier, zudem will der aktuell Drittplatzierte die Nummer eins der Weltrangliste werden. Dass er das Zeug dazu hat, ist längst klar. Weil er über enormes Talent verfügt, ein harter Arbeiter ist, der es mittlerweile schafft, auch dann zu liefern, wenn es wirklich zählt. Und auch der Zeitpunkt könnte günstiger kaum sein. Die Karrieren der Altmeister Rafael Nadal (35) und Roger Federer (40) neigen sich dem Ende zu, auch Novak Djokovic (34) ist nicht mehr unschlagbar. Daniil Medwedew (25) ist seit dem Finale von Turin seinen Nimbus als großer Angstgegner los, Dominic Thiem (28) seit Monaten verletzt. Daran, dass der Weg für Zverev (24) frei ist, hat nicht mal der Weltranglistenerste Djokovic Zweifel. „Er ist ein großartiger Typ, ein fantastischer Tennisspieler“, sagte der Serbe in Turin, „ich bin sicher, bald wird auch er ein Grand-Slam-Champion sein.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Alexander, der Große – wie Zverev Olympia-Gold holte

Dem ist wenig hinzuzufügen. Bis Zverev sein nächstes Ziel erreicht, ist es – sofern er gesund bleibt – nur eine Frage der Zeit.