Tommy Haas und der Ball – nach langer Leidenszeit kann der Tennisstar die Beziehung zu seinem Spielgerät wieder pflegen Foto: Pressefoto Baumann

Was für ein Comeback von Tommy Haas! Nach 55 Wochen Verletzungspause feiert der Routinier in Stuttgart einen glatten Auftaktsieg und jubelt wie vier weitere deutsche Tennisprofis.

Stuttgart - Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an – vielleicht ist es das auch. Als der heute 18 Jahre alte Alexander Zverev noch nicht mal auf der Welt war, da gewann Michael Stich den Mercedes-Cup in Stuttgart. 1991 war das, als der damals frischgebackene Wimbledon-Sieger den Pokal mit dem Stern in die Höhe stemmte. Das Publikum feierte seinen Helden auf dem Killesberg. Stich war der letzte deutsche Tennisspieler, dem der Turniersieg gelang. Seither warten die Fans auf dem Weissenhof sehnlichst auf einen deutschen Titelträger.

In diesem Jahr könnte die schwarze Serie zu Ende gehen. Jedenfalls war die Chance nie größer als bei der aktuellen 37. Auflage. Denn niemals zuvor standen so viele deutsche Profis im 28-köpfigen Hauptfeld des ATP-Turniers. „Nicht einmal, als wir früher ein 48er-Feld hatten, waren zehn in der ersten Runde“, sagt Bernd Nusch. Der Stuttgarter, der bis 2006 stolze 33 Jahre Turnierdirektor war, hat zumindest nie zuvor so eine große deutsche Kolonie beim Mercedes-Cup erlebt. Der neue Rasen lockt die Racketkönige im erweiterten Wimbledon-Zyklus auf den Hügel über der Stadt.

„Es ist eine einmalige Chance, sich frühzeitig auf Gras auf das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon vorzubereiten“, sagt etwa Tommy Haas, „und genau das macht Stuttgart interessant. Mal davon abgesehen, dass es uns freut, zu Hause aufschlagen zu können.“ Mit Erfolg: Von den zehn deutschen Profis haben fünf den Sprung unter die letzten 16 geschafft. Es könnte also dieses Mal mit einem deutschen Turniersieg klappen – die Gewinner und Verlierer der ersten Runde im Überblick.

Die Gewinner

Tommy Haas (37 Jahre): Die fehlende Wettkampfpraxis war dem Wahl-US-Amerikaner nach der Schulter-OP und der mehrmonatigen Reha schon anzumerken. „Am Ende des Matchs wurde es für mich schwer. Es waren ja so viele Emotionen im Spiel, und ich wusste nicht, was mich erwartet“, gab der Altmeister nach dem 6:4, 7:5 gegen den Kasachen Michail Kukuschkin zu. „Aber immerhin hatte ich keine Schmerzen“, meinte Haas nach 1:17 Stunden Spielzeit. Für die nächste Aufgabe gibt’s nun eine Extra-Motivation: An diesem Mittwoch reist Tochter Valentina (4) an. Sie wird ihren Papa in der Runde der letzten 16 gegen Bernard Tomic (Australien) anfeuern. Haas: „Das Spiel am Donnerstag ist für mich wie ein Bonus.“

Alexander Zverev (18): Eine Wildcard hat ermöglicht, dass der Hamburger im Hauptfeld steht. Und diese Chance will der Weltranglisten-84. nutzen. „Ich freue mich über jedes Spiel, das ich auf der ATP-Tour mache“, sagte Alexander Zverev, der gegen den Qualifikanten Mate Pavic (Kroatien) einen starken Auftakt erwischte. Zwar hatte er Probleme mit dem Aufschlag des 404. der Welt, „doch ich habe gut von der Grundlinie gespielt“, bilanzierte der 1,98-Meter-Schlaks, dem Boris Becker „eine goldene Zukunft“ bescheinigt. Nächster Gegner von Zverev ist der Serbe Viktor Troicki, 28. der Weltrangliste.

Mischa Zverev (27): Auch beim älteren Bruder von Alexander läuft’s. Erst kämpfte sich der Hamburger erfolgreich durch die Qualifikation, dann schaltete er den an sieben gesetzten Österreicher Dominic Thiem (21), jüngst ATP-Turniersieger in Nizza, mit 7:6, 6:2 aus. „Das war ein sehr großer Sieg für mich“, meinte Mischa Zverev, der im Achtelfinale auf Andreas Seppi (Italien) trifft.

Philipp Kohlschreiber (31): Bereits am Montag hatte die deutsche Nummer eins einen Einstand nach Maß gefeiert. Gegen den Ukrainer Alexandr Dolgopolow gewann der Stuttgart-Finalist von 2013 glatt mit 6:3, 6:3 und schnaufte danach erleichtert durch: „Ich bin glücklich. Meine Verfassung auf dem Rasen hier ist sehr gut.“ Der Augsburger trifft nun auf den Polen Jerzy Janowicz.

Matthias Bachinger (28): Der Weltranglisten-116. ist im wahrsten Sinne ein Lucky Loser. Trotz der Pleite im Qualifikationsfinale rutschte er für den Tschechen Radek Stepanek (Rückenverletzung) ins Hauptfeld und nutzte seine Chance. Im Münchner Duell schlug Matthias Bachinger Peter Gojowczyk (25) 7:5, 7:5 und jubelte danach: „Ich werde weiter alles geben.“ Gegen US-Open-Sieger Marin Cilic aus Kroatien wird an diesem Mittwoch voller Einsatz auch nötig sein.

Die Verlierer

Jan-Lennard Struff (25): Der Warsteiner hatte sich viel vorgenommen. Doch gegen den in Stuttgart geborenen Australier Bernard Tomic (22) hatte der 105. der Welt keine Chance. Mit 3:6 und 6:7 unterlag Struff dem Weltranglisten-24. und nächstem Haas-Gegner.

Benjamin Becker (33): In Stuttgart plagte sich die deutsche Nummer zwei mit einer Oberschenkelverletzung durch ihr Auftaktmatch. Die Folge: Gegen den zwei Plätze schlechteren Weltranglisten-45., Andreas Seppi, war nach 58 Minuten beim 1:6, 2:6 für den Mann aus Merzig Schluss.

Maximilian Marterer (19): Es war ein kurzes Gastspiel des Nürnbergers. Gegen Andreas Haider-Maurer lief bei Marterer, der sich vor zwei Jahren beim Nachwuchsprojekt „Making of a Wimbledon-Champion“ eine Wildcard für den Mercedes-Cup erspielt hatte, beim 6:7, 3:6 nicht viel zusammen.

Dustin Brown (30): Gegen das polnische Aufschlagwunder Jerzy Janowicz ging dem Mann mit den markanten Dreadlocks im dritten Satz die Luft aus. Mit 7:6, 4:6, 3:6 verlor Brown trotz vieler Zauberschläge.