Angelique Kerber hofft, bei den Australien Open wieder zu alter Stärke zu finden. Foto: AFP

Die deutsche Tennisspielerin Angelique Kerber geht als Titelverteidigerin in das Grand-Slam-Turnier in Australien – hat zuvor aber zwei bittere Niederlagen einstecken müssen.

Melbourne - Der Kleiderwechsel in den Katakomben ging zügig vonstatten. Angelique Kerber legte das kurze blaue Kleid mit dem weißen Kragen ab, schlüpfte aus den flachen Schuhen und streifte die Arbeitskleidung über. Der Wechsel gehört zur Verwandlung zwischen der Auslosung der Australian Open, bei der sie gemeinsam mit Novak Djokovic in offizieller Mission aufgetreten war, und einer Trainingseinheit in der Rod Laver Arena mit Julia Görges. Bei solchen Aktionen hilft es, Abkürzungen und Schleichwege zu kennen – und im zehnten Jahr bei diesem Turnier kann man sicher sagen, Kerber kenne sich dort aus. Doch auch auf vertrautem Terrain gleicht ein Schritt nicht dem anderen; zumal dann nicht, wenn sich die Umstände verändern. Zum ersten Mal in ihrer Karriere ist Angelique Kerber dieser Tage in Melbourne als Titelverteidigerin bei einem Grand-Slam-Turnier unterwegs, und zum ersten Mal präsentierte sie den großen, langstieligen Pokal in dieser Rolle.

Im Moment ist schwer zu sagen, in welcher Form sie ins Turnier starten wird. Gemessen an den beiden Auftritten kürzlich ist ein wenig Vorsicht angebracht. Beim Turnier in Brisbane verlor sie gegen Elina Svitolina aus der Ukraine (Nummer 13 der Weltrangliste), in Sydney unterlag sie Mitte dieser Woche der jungen Russin Daria Kasatkina (26), und vor allem im zweiten Satz dieses Spiels hatte sie nicht allzu viel Ähnlichkeit mit jener Spielerin, die seit Mitte September 2016 an der Spitze der Weltrangliste steht.

Die Nervosität könnte ins Spiel kommen

Doch man muss die Dinge relativieren. Einerseits sind Elina Svitolina und Daria Kasatkina starke Spielerinnen, andererseits liegt es auf der Hand, dass Angelique Kerber selbst nach den von allerlei Ehrungen, Auszeichnungen und Festivitäten geprägten letzten Wochen 2016 noch nicht so gut in Form ist wie vor einem Jahr. Die Frage vor dem ersten Spiel am Montag gegen Lesia Tsurenko aus der Ukraine (die Nummer 61 der Welt) ist, ob die gewohnte Nervosität vor dem Auftakt eines Turniers wegen der beiden Niederlagen zuletzt noch größer ist als sonst.

Im vergangenen Jahr hatte Kerber in Brisbane das Finale erreicht und in Sydney zumindest ein Spiel gewonnen – dennoch hätte sie beinahe in der ersten Runde in Melbourne verloren; es ist immer noch ein interessanter Gedanke, wie die Sache 2016 weitergegangen wäre, hätte sie vor einem Jahr den ominösen Matchball gegen die Japanerin Misaki Doi nicht abgewehrt. Ob Lesia Tsurenko eine starke Herausforderin sein kann, wird auch davon abhängen, wie schnell sie sich von ihrer Krankheit erholt, die sie jüngst beim Turnier in Hobart vor dem Halbfinale zur Aufgabe zwang.

Der Druck ist diesmal ein anderer

Angelique Kerber sagt, natürlich sei der Druck diesmal ein anderer und auch größer als sonst. Jede Fahrt zur Anlage, jeder Weg durch die Katakomben ist besetzt mit Bildern, die zwar schön sind, aber auch zu Fragen führen. Kannst du das noch mal schaffen? Wie gewinnst du wieder Sicherheit?

Kerber hat eine Weile an sich gezweifelt

Doch auch dabei kann Erinnerung eine Hilfe sein. Nach dem grandiosen Start ins Jahr mit dem Titel in Melbourne war sie im Frühjahr 2016 ins Trudeln geraten und hatte bei den French Open in Paris in der ersten Runde verloren. Sie hatte eine Weile an sich gezweifelt, doch dann hatte sie begriffen, dass sie niemandem beweisen musste, was sie nicht schon bewiesen hatte. Und unabhängig davon, wie fit ihre Gegnerin am Montag in der Rod Laver Arena erscheinen wird – Tsurenko ist allemal ein besseres Los als jenes, mit dem die Finalistin des vergangenen Jahres klarkommen muss.

Auch Serena williams ist noch nicht so stark

Serena Williams, die kürzlich in Auckland/Neuseeland nach drei Monaten Spielpause auch keinen berauschenden Eindruck hinterlassen hat, wird in der ersten Runde in Melbourne am Dienstag gegen die Schweizerin Belinda Bencic spielen, die im Februar des vergangenen Jahres noch zu den Top Ten gehört hatte. Und sollte sie dieses Spiel gewinnen, ginge es gegen die Tschechin Lucie Safarova oder Janina Wickmayer aus Belgien weiter.

Unfreundlich ging der Computer bei der Auslosung auch mit Novak Djokovic um, dessen Mission Titelverteidigung mit der Partie gegen den Spanier Fernando Verdasco beginnen wird, gegen den er kürzlich beim Turnier in Doha fünf Matchbälle abwehren musste. Für die Nummer eins des Männertennis, Andy Murray, sieht die Sache entspannter aus, erst recht für Roger Federer, dem für die ersten beiden Runden beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres Qualifikanten zugelost wurden.