Durch den 6:4, 6:3-Erfolg zieht Sabine Lisicki ins Viertelfinale ein. Dort wartet Angelique Kerber.

London - Tennis-Fan Dirk Nowitzki riss in Sabine Lisickis Spieler-Box jubelnd die Arme hoch: Nach einem sensationellen Sieg gegen Top-Favoritin Maria Scharapowa steht die Berlinerin im Viertelfinale von Wimbledon und trifft dort im deutsch-deutschen Duell auf Angelique Kerber. Mit einer 6:4, 6:3-Weltklasse-Vorstellung bezwang die 22 Jahre alte Lisicki die Weltranglisten-Erste aus Russland. Sie nahm damit erfolgreich Revanche für die Halbfinalniederlage aus dem Vorjahr.

Kurz darauf fertigte Kerber im Eiltempo die vierfache Grand-Slam-Turniersiegerin Kim Clijsters aus Belgien mit 6:1, 6:1 ab. Erstmals seit 25 Jahren stehen überhaupt zwei deutsche Damen im Viertelfinale des berühmtesten Tennisturniers der Welt: 1987 waren es Steffi Graf und Claudia Kohde-Kilsch.

"Das ist einfach mein Lieblingsturnier"

Lisicki verwandelte nach 84 Minuten Spielzeit ihren dritten Matchball per Ass mit dem zweiten Aufschlag und sank weinend auf die Knie. „Es ist wunderbar. Ich habe geweint und gelacht zugleich. Das ist einfach mein Lieblingsturnier“, sagte die Nummer 15 der Tenniswelt. Im vierten Vergleich mit der 25 Jahre alte French-Open-Gewinnerin ging sie zum ersten Mal als Siegerin vom Platz. Sie machte ihren dritten Viertelfinaleinzug bei dem wichtigsten Rasentennisturnier der Welt perfekt. „Ich habe alles gegeben. Mal sehen, was noch möglich ist.“ Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner meinte fassungslos: „Hammer - Wahnsinn - super überzeugend!“

Und wenig später hatte sie wieder Grund zum Jubeln: Die Weltranglisten-Achte Kerber aus Kiel ließe der früheren Branchenführerin Clijsters auf deren Abschiedstour in nur 49 Minuten nicht den Hauch einer Chance.

"Gegen Schara muss sich Bine sehr steigern, um mithalten zu können"

Scharapowa hatte vorher noch Lisicki respektvoll als „toughe Gegnerin und sehr gute Rasenspielerin“ bezeichnet. Dass sie an der Deutschen scheitern würde, hätten aber die wenigsten für möglich gehalten. Auch Rittner hatte gemeint: „Gegen Schara muss sich Bine sehr steigern, um mithalten zu können.“

Das tat Lisicki. Von Beginn an war sie in dem Powertennis-Duell hellwach und spielte mit äußerst niedriger Fehlerquote. Dazu kam ihr Aufschlag wieder weitaus effektiver als in den ersten drei Runden. Scharapowa machte dagegen bei ungemütlichen Windböen bei den wichtigen Punkten unerklärliche Fehler. Rasch führte Lisicki 4:1.

Auch im Vorjahr hatte die 22-jährige Lisicki in Satz eins einen 3:0-Blitzstart gegen Scharapowa hingelegt, um dann am Ende in zwei Sätzen zu verlieren. Diesmal ließ sie Scharapowa von 5:2 noch auf 5:4 herankommen - behielt aber dann mit einem Break die Nerven bei ihrem erklärten Lieblingsturnier. Auch von einer Regenunterbrechung nach dem zweiten Satz ließ sie sich nicht irritieren. Im Gegenteil: Sie holte sich sofort das Momentum, ein Vorhand-Return-Winner zum 2:0-Break zeigte ihre Extra-Klasse. Der zweite Satz war brillant.

Lisicki zeigte, dass sie sich für große Aufgaben besonders pushen kann. Ihr Formtief der vorigen Wochen hat sie damit endgültig überwunden. Im April hatte sie sich beim WTA-Turnier in Charleston am Knöchel verletzt und anschließend vier Erstrundenpleiten in Serie kassiert, darunter bei den French Open. Vor Wimbledon hatte sie sich extra in ihrer Wahlheimat Florida für eine Woche zum Trainieren in der Akademie von Starcoach Nick Bollettieri zurückgezogen. Mit Erfolg.