Novak Djokovic ist scharf auf Einzel-Gold im Tennis. Foto: imago//Xinhua

Der Dominator der Tenniswelt will mit einem Sieg bei Olympia weiter Geschichte schreiben. Sein Ziel ist der Golden Slam, der bisher nur Steffi Graf 1988 gelang. Viele andere Stars bleiben dem Turnier aber fern.

Tokio/Stuttgart - Lange Zeit ist er der vermeintlich Kleinste unter den drei Größen der männlichen Tenniswelt gewesen. Doch mit seinem Sieg in Wimbledon hat Novak Djokovic inzwischen ja zu den zwei Ikonen des weißen Sports aufgeschlossen – und platzt jetzt fast vor Selbstvertrauen. „Ich halte mich für den Besten, und ich glaube, dass ich der Beste bin“, sagte der Serbe, als er wie Roger Federer und Rafael Nadal seinerseits 20 Grand-Slam-Titel in der langen Siegesliste stehen hatte.

 

Auch aufgrund des Glaubens an sich selbst kann der Djoker der Verlockung nicht widerstehen, in einem nächsten Schritt nun womöglich als der größte Tennisspieler aller Zeiten in die Geschichte einzugehen. „Ich freue mich, in Tokio ein Teil des serbischen Olympiateams zu sein“, sagte der 34-Jährige zu seinem Tennisabenteuer in Fernost, wo bereits am Samstagfrüh (4 Uhr deutscher Zeit) im Ariake Tennis Park das Turnier vor leeren Rängen beginnt. Dabei sind es in Wahrheit aber ganz persönliche Interessen, es ist vor allem Djokovics Traum vom Golden Slam, der ihn gerade mal zwei Wochen nach Wimbledon am anderen Ende der Welt wieder ins Spielgeschehen eingreifen lässt.

Steffi Graf ist einsame Spitze

Der Golden Slam, das ist jene bislang nur von Steffi Graf 1988 erreichte Kollektion der vier Grand-Slam-Titel sowie der olympischen Goldmedaille im Einzel – und dies in einem einzigen Kalenderjahr. Graf hatte 1988 allerdings bereits die Australian Open, die French Open, Wimbledon und die US Open gewonnen, als sie im Oktober in Seoul ihr goldenes Ausrufezeichen setzte. Djokovic müsste nach Tokio auch noch den Härtetest US Open bestehen, die Ende August in Flushing Meadows beginnen.

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„Die Champions-Mentalität, die Steffi besitzt, ist definitiv etwas, was mich inspiriert“, sagte Djokovic in Tokio: „Ich weiß, dass viel Geschichte auf dem Spiel steht.“

Kaum einer der Experten hatte dem 34-Jährigen aber aufgrund der Dichte des Terminplans, der langen Reise sowie der rigiden Corona-Auflagen einen Start in Japan angeraten. Sein ehemaliger Trainer Boris Becker etwa, der ihn zwischen 2013 und 2016 zu sechs Majortiteln führte, hatte mit Blick auf den möglichen Grand Slam gesagt: „Alles andere kann und darf ihn auch nicht interessieren, das ist eine einmalige Möglichkeit.“ Zum Grand Slam, der bei den Männern bisher nur dem Australier Rod Laver 1969 gelang, fehlt Djokovic ja nach seinen Triumphen in 2021 in Melbourne, Paris und Wimbledon „nur“ noch der Sieg in New York.

Djokovic setzt alles auf eine Karte

Doch Djokovic geht jetzt all-in, setzt gar an zum Golden Slam. Dabei stehen seine Chancen auf Einzel-Gold bei Olympia günstig. Und dies nicht allein, weil die Nummer eins der Tenniswelt in diesem Jahr nur drei seiner 35 Matches verlor. Denn obendrein ist das Teilnehmerfeld in Tokio ziemlich ausgedünnt: Aus den unterschiedlichsten Gründen meiden viele Profis das olympische Turnier. So ist Roger Federer aufgrund anhaltender Knieprobleme nicht dabei. Rafael Nadal fehlt wenig motiviert ebenso wie der amtierende US-Open-Sieger Dominic Thiem aus Österreich, der Wimbledon-Finalist Matteo Berrettini (Italien) oder etliche Jungstars wie der Kanadier Denis Shapovalov.

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Bei den Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild – und so muss das olympische Tennisturnier wohl ohne den ganz großen Glanz auskommen. Neben dem US-Shootingstar Cori Gauff wird deren Landsfrau Serena Williams, die Grande Dame der Branche, in Tokio ebenso nicht dabei sein. Auch Angelique Kerber, die dreimalige Grand-Slam-Siegerin aus Deutschland, hat abgesagt, obwohl sie als Silbermedaillengewinnerin von Rio 2016 eine Topkandidatin bei der Wahl für die deutsche Fahnenträgerin bei der Eröffnungszeremonie gewesen ist.

„Umso enttäuschter bin ich, mir eingestehen zu müssen, dass mein Körper nach den Strapazen der letzten Wochen dringend Ruhe benötigt und ich erst wieder fit werden muss, bevor es für mich weitergeht“, erklärte Kerber (33) und fügte hinzu, die Entscheidung sei ihr „unendlich schwergefallen“.

Alexander Zeverev ist topmotiviert

Immerhin ist aus deutscher Sicht Alexander Zverev mit dabei – und er ist topmotiviert: „Ich will für Deutschland um eine Medaille mitspielen“, sagte der 24-Jährige: „Das heißt jetzt nicht, dass ich gewinne. Aber ich sehe mich schon als Mitfavoriten.“ Zverev tritt im Einzel wie im Doppel an. Eventuell spielt die Nummer fünf der Welt auch noch im Mixed, wenn das deutsche Team einen Platz in dem Wettbewerb erhält. „Es ist immer etwas sehr Besonderes, für Deutschland zu spielen“, sagte Zverev. „Du spielst nicht nur für dich, sondern für deine ganze Nation. Es ist noch emotionaler, wenn du für dein ganzes Land spielst.“

Eine mögliche Mixed-Partnerin wäre dabei Laura Siegemund aus Stuttgart, die sich den olympischen Traum auch in Zeiten der Pandemie nicht nehmen lassen will. Da geht es ihr ganz so wie Novak Djokovic, der in der ersten Runde auf den klaren Außenseiter Hugo Dellien aus Bolivien trifft.

Die Chancen der Deutschen

Männer
Medaillenkandidat Alexander Zverev könnte in einem möglichen Halbfinale des olympischen Tennisturniers auf Topfavorit Novak Djokovic treffen. Das ergab am Donnerstag in Tokio die Auslosung für den am Samstag beginnenden Wettbewerb. In der ersten Runde steht der an Position vier gesetzte Hamburger vor einer Pflichtaufgabe gegen den Weltranglisten-573. Yen-Hsun Lu aus Taiwan. Jan-Lennard Struff aus Warstein tritt ebenfalls als Favorit gegen Thiago Monteiro aus Brasilien an. Der Augsburger Philipp Kohlschreiber spielt gegen den an Position drei gesetzten Griechen Stefanos Tsitsipas. Der Schwarzwälder Dominik Koepfer startet seine Olympia-Premiere gegen Facundo Bagnis aus Argentinien.

Frauen
Wie Kohlschreiber hatten auch die deutschen Frauen Laura Siegemund und Mona Barthel kein Losglück. Die Stuttgarterin Siegemund trifft auf die Weltklassespielerin Jelina Switolina (Ukraine), Barthel auf die frühere French-Open-Siegerin Iga Swiatek aus Polen. Anna-Lena Friedsam spielt gegen die Britin Heather Watson.

Viele Topstars des Tennis bleiben Olympia fern. Warum, dass erfahren Sie in unserer Bildergalerie. Viel Spaß beim Durchklicken!