Die Mittenfeldstraße wurde von den Kindern in Beschlag genommen. Foto: Georg Linsenmann

Beim Kinder- und Jugendhaus wurde die Mittenfeldstraße als „temporäre Spielstraße“ erprobt – sehr zum Vergnügen der Kinder.

Giebel - Heute ist Martin Kapler nicht nur der Herr des Hauses, sondern auch der Straße davor. Zumindest der Chef dieser wuchtigen Vier-Meter-Rampe Marke Eigenbau. Für coole Jungs mit Rollern und Rädern ist sie das Ding des Tages. Rauf und runter geht es, ohne Ende. Manchmal aber auch im Gegenverkehr, was nicht ganz ohne ist. Also sortiert Kapler die Schar ein bisschen und sorgt dafür, dass hübsch von einer Seite angefahren wird. Dass der Leiter des Kinder- und Jugendhauses an diesem Nachmittag auch für die Straße zuständig ist, hat einen einfachen Grund: Für sieben Stunden wurde die Mittenfeldstraße in einem kürzeren Abschnitt gesperrt und in eine „temporäre Spielstraße“ verwandelt. Freies Spiel für freie Kinder! Mitten auf der Straße. Die Stadt will testen, wie das angenommen wird. „Wir wollen Kindern in sehr dichten Stadtgebieten die Möglichkeit geben, sich für einen begrenzten Zeitraum die Straße zum Spielen zurückzuerobern“, sagt die Kinderbeauftragte Maria Haller-Kindler.

Von Beginn an mächtig was los

Nimmt man Giebel zum Maßstab, bedarf es keiner weiteren Tests, denn hier ist von Beginn an mächtig was los. Zum Start zur Mittagszeit sind die Kids von der Gemeinschaftsschule sogar klassenweise herbeigeströmt, später abgelöst von der Rappachschule. Und auch die Stunden danach herrscht reger Betrieb. Zu lockend die Möglichkeit, einmal die halbe Straße mit Malkreide bunt zu machen, mit Hüpfbällen durch die Gegend zu springen, mit Kullerkreiseln, Hula-Hoop und Becherstelzen die ungewöhnlich große Spielfläche zu nutzen.

Stas und Kevin nehmen einen Grundkurs in Diabolo. Lina schließt sich gleich an, hat den Tipp zum Spielen hier von Asma bekommen, ihrer besten Freundin. Keine Pause gibt es an der 20 Meter langen Rollenrutsche und, na klar, Phillipp, Jan Collin & Co. sind nicht wegzubekommen von der Rampe. Tims Vater ist zum ersten Mal am Kinder- und Jugendhaus und schaut dem Treiben zu. „Da könnte er vielleicht öfter kommen. Wann haben die auf hier?“, will er wissen. Heike Jahn wollte eigentlich ihren Sohn von der Kita abholen, kommt jetzt aber nicht weg von der Straße: „Er spielt einfach weiter! Wo ist er eigentlich im Moment?“ So nutzt sie die Gelegenheit für einen Plausch mit Nataliya Frey, die mit dem Kinderwagen „aus Neugierde“ gekommen ist.

„Das sollte man öfters machen“

Eine Gruppe von Mamis hat ihren Treff heute einfach in den auf der Straße aufgebauten Pavillon verlegt. „Man kann die Kinder rennen lassen und muss keine Angst haben. Hier haben sie Platz wie sonst nie. Das ist für uns entspannend“, freut sich Darja Bichert, die unbedingt ein Lob für die Stadt loswerden will: „Stuttgart macht viel für unsere Kinder!“ Andrea Locher assistiert: „So ein Zusatzangebot ist gut. Das sollte man öfters machen. Die Kinder brauchen mehr Bewegung. Und hier sind so viele verschiedene Kinder, die sich noch nicht kennen. Sie haben Spaß und kommen gut mit einander aus.“

Claudia Jablonowski, die Leiterin des Familienzentrums, hat noch etwas anderes beobachtet: „Ich war mir nicht sicher, ob wir die verschiedenen Zielgruppen unter einen Hut bekommen. Kleine und große Kinder, sogar Jugendliche. Und die Eltern kommen miteinander ins Gespräch. Das ist toll und übertrifft meine Erwartungen“, resümiert sie – und ergänzt: „Ich habe einige neue Gesichter gesehen und konnte auch Kontakte zu Frauen knüpfen, die noch nie hier waren.“

Jetzt, eine halbe Stunde vor Schluss, sind immer noch über 30 Kinder am Spielen. „Hier war gut was los!“, sagt Andrea Granzow, die mit Svetlana Leipi sonst für den Familiennachmittag im Haus ehrenamtlich für Kaffee und Kuchen sorgt. Heute haben sie im Café zudem belegte Brötchen und Waffeln angeboten: „Das ist eine sehr gelungene Aktion“, sagt sie, während sie vollends sauber macht: „Alles weggeputzt! Das nächste Mal machen wir mehr!“