Französische Landstraße: Frankreichs Regierung hat beschlossen, die Höchstgeschwindigkeit dort zum 1. Juli von 90 auf 80 Stundenkilometer herabzusetzen Foto: Mauritius

Beim Autofahren ist in Frankreich schnell Schluss mit lustig. Drei Viertel der Bevölkerung geben zu, am Steuer zu Beleidigungen zu neigen. Was die Franzosen jetzt nicht davor bewahrt, dass ihnen von höchster Stelle reingeredet wird.

Paris - Frankreichs Regierung hat beschlossen, die Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen zum 1. Juli von 90 auf 80 Stundenkilometer herabzusetzen. Und als wäre die Abkehr vom seit 1974 geltenden Tempolimit nicht schon verstörend genug, will die Regierung auch noch die Jagd auf Raser verschärfen. Sie beauftragt Privatfirmen, den Temposündern nachzustellen.

Fünf mit Blitzern ausgestattete Messwagen sind bereits an eine Sicherheitsfirma ausgeliefert worden. Sie rollen durchs normannische Departement L’Eure. Bis zum Jahr 2020 sollen landesweit 372 weitere Fahrzeuge hinzukommen. Weitgehend selbsttätig erfassen sie die Geschwindigkeit von hinten kommender und vorausfahrender Autos. Vorne sind Kameras und Messgeräte unscheinbar neben der Autonummer angebracht. Hinten sind sie auf der Gepäckablage montiert, gleichen Lautsprecherboxen einer Musikanlage. Ziel ist es, die Radarfallen auf Rädern täglich acht Stunden einzusetzen und zwar an Werktagen, Sonntagen, Feiertagen. Bisher sind mit Radargeräten ausgestattete Wagen der Polizei durchschnittlich nur 90 Minuten pro Tag unterwegs.

Der Vorwurf: Dem Staat geht es darum, die Autofahrer zu schröpfen

Ähnlich massiv wie die geplante Aufrüstung ist allerdings auch der sich landesweit erhebende Protest. Der Automobilverein „40 Millionen Autofahrer“ geißelt die geplante Geschwindigkeitsbeschränkung als Missachtung einer weitgehend aufs Auto angewiesenen Landbevölkerung und die Verpflichtung privater Hilfspolizisten als „Big-Brother-Überwachungsmethode“. Dem Staat gehe es allein darum, die Autofahrer noch mehr zu schröpfen, als seien die 920 Millionen Euro, welche die Radarkontrollen jährlich in die Staatskasse spülten, nicht schon genug. Die Liga zur Verteidigung der Autofahrer sieht das ähnlich. Sie versucht die Pläne der Regierung mit einer 427 000 Unterschriften zählenden Petition zu Fall zu bringen.

Was eine simple Straßenverkehrsvorschrift scheint, ist eben mehr als dies. Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Fabrice Hamelin rührt die Neuerung ans Seelengefüge der Nation. „Die Franzosen und das Auto, das ist eine lange Liebesgeschichte“, glaubt Hamelin. Für die Mehrheit sei Auto noch immer gleichbedeutend mit Freiheit und Vergnügen.

Der Regierungschef verweist auf Statistiken und Experten

Die Regierung macht sich denn auch keine Illusionen. Sie weiß: Mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Ausweitung der Radarkontrollen macht sie sich gründlich unbeliebt. Es gelte Leben zu retten, da nehme er in Kauf, unpopulär zu sein, verkündet Premierminister Edouard Philippe.

Der Regierungschef verweist auf Statistiken und Expertengutachten. Demnach waren im vergangenen Jahr in Frankreich 3456 Verkehrstote zu beklagen. Die meisten tödlichen Unfälle ereigneten sich auf Landstraßen. In 30 Prozent der Fälle zählte überhöhte Geschwindigkeit zu den Ursachen. Mit dem geplanten Tempo ließen sich jährlich 350 bis 400 Leben retten, versichern Experten.

Das geplante Outsourcing könnte rechtlich anfechtbar sein

Während die Entscheidung, auf 400 000 Kilometern einspuriger Landstraße Tempo 80 einzuführen, als unumstößlich gilt, scheint über die private Blitzerflotte das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das auf Satire und Enthüllungen spezialisierte Wochenblatt „Le Canard Enchaîné“ zitiert in seiner neuesten Ausgabe aus Unterlagen des Innenministeriums, wonach das geplante Outsourcing rechtlich anfechtbar sein könnte.

Geschwindigkeitskontrollen zählten womöglich zu den ureigenen, nicht übertragbaren Aufgaben der Polizei, gibt der Verfasser des Schriftstücks laut „Canard Enchaîné“ zu bedenken. Zur Vorsicht gemahne außerdem, dass unklar sei, wie der Staat die moralische Integrität privater Hilfspolizisten gewährleisten wolle. Der Verein „40 Millionen Autofahrer“ zeigt sich überzeugt, dass die Outsourcing-Pläne nicht nur rechtlich fragwürdig sind, sondern schlicht rechtswidrig. Er ist deshalb vor Gericht gezogen.