Bald wird zwischen Schorndorf und Lorch Tempo 120 gelten. Foto: AP

Verkehrsminister Winfried Hermann ermöglicht lang ersehntes Tempolimit auf B 29 im Remstal.

Plüderhausen - Damit hatten selbst die kühnsten Optimisten im Remstal nicht mehr gerechnet: Auf der B 29 gibt es demnächst zwischen dem Schorndorfer Osten und Lorch (Ostalbkreis) ein Tempolimit. Möglich macht diese Beschränkung auf Tempo 120 der neue Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt: Immer wieder flatterten die ernüchternden Bescheide ins Rathaus der 9400-Einwohner-Gemeinde Plüderhausen, ausgestellt vom Waiblinger Landratsamt, Stuttgarter Regierungspräsidium oder von der Landesregierung. "Tempolimit B 29: Chronologie der Bemühungen der Gemeinde Plüderhausen" heißt jener Aktenvermerk, den der Hauptamtleiter kürzlich zusammengestellt hat. Die erste Abfuhr gab es demnach 1979. Auch anschließend wurden die bald im Jahresrhythmus gestellten Anträge, gelegentlich als gemeinschaftliche Aktion mit Nachbarorten wie Urbach oder Lorch, immer wieder negativ beschieden. Die letzte Absage stammt vom Februar 2008. Begründung der Waiblinger Kreisbehörde diesmal: Weder bei der Verkehrssicherheit noch beim Lärm oder bei den Abgasen seien die Voraussetzungen für ein Tempolimit erfüllt.

Dabei hatten sich auf jenem B-29-Abschnitt schon schlimme Verkehrsunfälle ereignet. So 1994: Am Pfingstsonntag krachte ein VW Golf gegen zwei Bäume. Vier junge Männer im Alter zwischen 22 und 29 Jahren starben. Im Februar 2009 starb ein 16-Jähriger auf dem Beifahrersitz eines Ferrari. Der 50-jährige Fahrer hatte mit Tempo 160 bis 180 einen VW Golf gerammt. Der 500-PS-Sportwagen prallte gegen einen Baum und fing sofort Feuer, in dem der Jugendliche, ein Verwandter des Fahrers, verbrannte. Für die Polizei handelte es sich allerdings nach Auswertung der Statistik nicht um einen Unfallschwerpunkt.

Es geht um den Standtstreifen

Während Rathauschef Andreas Schaffer angesichts der permanenten Körbe fast schon zu resignieren schien, wollte der Plüderhausener Bürger Wolfgang Ratzer nicht klein beigeben. Er startete, in Absprache mit Schaffer, im Juni eine Privatinitiative in Richtung Verkehrsministerium. Denn die derzeitige Situation stelle einen "unglaublichen Anachronismus" dar, so Ratzer.

Im Auftrag des Verkehrsministers hat sich nun die grüne Staatssekretärin Gisela Splett des Themas angenommen. Und siehe da, gegenüber dem Schultes hat sie jetzt "in dieser Deutlichkeit unerwartet" (Schaffer) klargemacht, dass das Tempolimit kommt, nur wann, ist noch offen. Splett wird "das Regierungspräsidium Stuttgart bitten, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zwischen Waiblingen und Schwäbisch Gmünd durchgehend auf 120 km/h zu beschränken." Dies sei "ein klarer Auftrag", deutet Schaffer die Lage. Kommentar des Bürgermeisters, der das Thema seit seinem Amtsantritt 1996 forciert: "Wir freuen uns, weil damit ein wichtiges Anliegen vieler Plüderhäuser Bürger umgesetzt werden kann; das Tempolimit beschert Plüderhausen weniger Lärm und Abgase und dient allgemein dem Verkehrsfluss und der Verkehrssicherheit."

Dass das Tempolimit nun unter Rot-Grün doch kommt, ist Folge einer unterschiedlichen Interpretation von Details der Verkehrsvorschriften. Und zwar geht es um den Standstreifen. Dieser fehlt entlang der B 29 an fast allen der zahlreichen Brücken über die Rems. Doch nur wenn ein breiter und komplett durchgehender Standstreifen vorhanden ist, könne auf eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verzichtet werden, so die grüne Erklärungsvariante. Die neue Koalition habe sich zum Verkehrssicherheitsleitbild "Null Verkehrstote - Vision Zero" bekannt, erläutert Splett. Ein wesentlicher Baustein sei die "selbsterklärende Straße" - ein Begriff, den auch Schaffer zuvor nicht kannte. Der Fahrer soll dabei klar erkennen können, was ihn im Streckenverlauf erwartet - entlang der B 29 könne er dies nur bei maximal Tempo 120.

Erfreut über die Entwicklung ist auch die Schorndorfer Landtagsabgeordnete Petra Häffner, die den Appell an ihre grünen Parteifreunde im Ministerium unterstützt hat. Die fehlende Tempobegrenzung hätten "leider viele Autofahrer als Lizenz zum Rasen" gesehen. Für die Anwohner von Urbach, Plüderhausen und Lorch bedeutete dies jedoch: "Je schneller, desto lauter. Höchste Zeit also, dass das Tempolimit kommt."