Macht sich mit seinen Plänen zum Tempolimit auf Autobahnen keine Freunde bei der CDU: Verkehrsminister Hermann. Foto: dpa

Die Pläne in zwei Modellversuche auf der A 96 und der A 81 ein generelles Tempolimit von 120 km/h einzuführen, nennt die CDU „Schikane“ und „Rechtsbruch“. Verkehrsminister Winfried Hermann verteidigte sein Vorhaben.

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann dringt auf einen Test mit Tempo 120 auf Autobahnen - die Opposition im Landtag hat den Grünen-Politiker deshalb wegen vermeintlicher Bevormundung der Bürger attackiert. CDU und FDP warfen Hermann wegen des geplanten Tempolimits auf zwei Autobahnabschnitten „Schikane“ und „Rechtsbruch“ vor. „Unsere Freiheit ist uns wichtiger als ihre Gängelei“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der CDU, Nicole Razavi, am Mittwoch im Plenum in Stuttgart. Hermann verteidigte sein Vorhaben und argumentierte, er wolle Unfallrisiken senken.

Wie die Stuttgarter Nachrichten und die Stuttgarter Zeitung bereits exklusiv berichtet haben, will Dobrindt diesen Pilotversuch abblasen.

Die CDU-Politikerin Razavi vermutet, dass Hermann mit den zwei Modellversuchen mit Tempo 120 auf der A96 und der A81 quasi durch die Hintertür eine allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung einführen will. Der Kritik hielt er dagegen, er verspreche sich vom Versuch neue Erkenntnisse im Kampf für die „Vision Zero“, also einen Verkehr ohne Unfalltote.

Razavi und der FDP-Verkehrsexperte Jochen Haußmann beklagten mangelndes Interesse Hermanns am Straßenverkehr. „Radsternfahrten und Fußverkehrswettbewerbe“ seien im wichtiger als Straßenverkehrspolitik. Hermann schade dem Automobilstandort Baden-Württemberg und verunsichere die Autofahrer, sagte Haußmann. Als „verkehrspolitischer Erlkönig“ kümmere er sich nicht darum, wie die Menschen zum Arzt oder zur Arbeit kommen, sagte Razavi. Das grenze an ein Arbeitsverbot.

Beginn noch vor der Landtagswahl im März

Hermann kündigte an, die Modellversuche mit dem Tempolimit sollten im Mai 2016, also nach der Landtagswahl im März, beginnen. Sie sollten zeigen, ob und welche Folgen die Beschränkung auf Verkehrssicherheit und -fluss sowie Luftqualität und Lärm habe. Im Bemühen um ein weiteres Senken der Unfallzahlen sei man zuletzt nicht weitergekommen: Verglichen mit dem Ausgangsjahr 2010 sank die Zahl der Verkehrstoten bis Ende 2013 um 5,87 Prozent, 2014 sei sie aber mit 466 Personen allein im Südwesten leicht gestiegen. Bei Unfällen auf Autobahnen werde überhöhte Geschwindigkeit als Hauptunfallursache angeführt, argumentierte Hermann.

Er bekannte sich zu einer modernen Mobilitätspolitik, die Autoverkehr, öffentlichen Nah- und Radverkehr sowie neue Technologien kombiniere. Mit ihrer Beschränkung auf das Auto stünden CDU und FDP für das letzte Jahrhundert. Es sei beschämend wenn die FDP ihren Freiheitsbegriff auf freies Fahren auf der Autobahn beschränke. Der von der Vorgängerregierung hinterlassene Investitionsstau bei den Straßen im Land habe mit Rekordsummen von jeweils um eine Milliarde Euro von Land und Bund seit 2011 abgearbeitet werden können.

Auf 32 Prozent der 1039 Kilometer Autobahn im Südwesten gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Durch die beiden Versuchsstrecken - davon 32 Kilometer zwischen dem Kreuz Hegau und dem Dreieck Bad Dürrheim und 48 Kilometer zwischen Achberg und Aitrach - kommen 7,7 Prozent hinzu.

„Glaubwürdigkeit sieht anders aus“

Im Gegensatz zur Opposition sieht Hermann sein Vorgehen als rechtmäßig an. CDU und FDP verweisen darauf, dass Tempolimits Sache des Bundes und nicht der Länder seien. „Sie bewegen sich im rechtsfreien Raum“, sagte Razavi. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe dem Vorhaben die Genehmigung verweigert. Hermann verwies aber auf einen Brief des Verkehrsstaatssekretärs Norbert Barthle (CDU) vom Juli dieses Jahres, in dem dieser auf die Zuständigkeit der Länder bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen hinweist. Er erinnerte auch an einen parteiübergreifenden Beschluss im Landtag vom Oktober 2014, den Bund zu bitten, die Voraussetzungen für einen Pilotversuch mit Tempo 120 zu schaffen.

Das Thema gewinnt an weiterer Brisanz, weil ein Streckenabschnitt der A81 den Landkreis Tuttlingen berührt. Nach Auskunft der Koalition hat sich CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf in seiner Zeit als Tuttlinger Landrat und danach für eine Geschwindigkeitsbegrenzung stark gemacht. Jetzt hetze er seine verkehrspolitische Sprecherin auf, dagegen vorzugehen, monierte der Verkehrsexperte der Grünen, Andreas Schwarz, und fügte hinzu: „Glaubwürdigkeit sieht anders aus.“