Die richtige Nummer hilft Tausenden bei Kummer Foto: dpa

In seelischer Not suchen unverändert viele Menschen das Gespräch mit der Telefonseelsorge. Die in Stuttgart von Katholischer und Evangelischer Kirche betriebene Einrichtung verzeichnet insbesondere bei Männern mehr Gesprächswünsche denn je.

Stuttgart - 45 000 Menschen haben im vergangenen Jahr Zuspruch bei der Telefonseelsorge in Stuttgart gesucht – und gefunden. Insgesamt waren es 15 000 Anrufer mehr, die aber wegen belegter Leitungen, langer Warteschleifen oder aus persönlichen Gründen wieder auflegten. „Durchschnittlich müssen die Anrufer rund 20-mal wählen, bis ein Gespräch zustande kommt“, sagt Krischan Johannsen, Leiter der evangelischen Telefonseelsorge, am Dienstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2015.

Zwei von drei Anrufern bei der Telefonseelsorge sind Frauen, doch mehr und mehr Männer greifen zum Telefon. „Es ist kein Tabu mehr, als Mann über seine Probleme zu reden“, sagt Thomas Krieg, Leiter der katholischen Telefonseelsorge Ruf und Rat. Die Hälfte der 5000 Anrufer im Alter zwischen 20 und 29 Jahren sind Männer, die meisten ihrer Rolle im Leben nicht sicher oder ohne Identifikationsperson, so Kleine.

Manche leiden an Einsamkeit, andere an der Beziehung

3000 Gespräche weniger als im Jahr 2014 kamen an, der Rückgang sei durch die Verteilung von Mobilfunkanrufen auf alle Telefonseelsorge-Einheiten verursacht. Einst waren Handys meist Quellen von Scherzanrufen, inzwischen überragt aber die Zahl der Mobilfunknutzer die der Festnetznutzer bei Weitem.

Hauptanliegen, so Krischan Johannsen, seien die Themen Einsamkeit, Suizidalität, Hilflosigkeit in Beziehungen oder die Sorge um andere. „Viele Männer legen sich echt krumm für ihre Frauen und wundern sich dann, dass die Beziehung nicht funktioniert.“ Andere wiederum wollten sich über Politik unterhalten, manche äußerten auch Angst, dass ihnen mit den Flüchtlingen Konkurrenz erwächst. „Das ist nicht realistisch, aber das Empfinden der Leute, die im Prekariat leben“, sagte Johannsen.

Die Flüchtlingskrise absorbiert auch viele Helfer, so dass die Mannschaft von 160 ehrenamtlichen Telefonversorgern nur schwer aufgestockt werden kann. Zudem müssen die Neuen ein Jahr lang jeweils einmal pro Woche einen Grundkurs in Gesprächstherapie investieren und später noch hospitieren, bevor sie zum Dienst, etwa einmal pro Woche, eingesetzt werden. „Ich will kein Ehrenamt, das man nach einem halben Jahr wieder aufgibt. Ich will daran wachsen“, sagt ein Ehrenamtlicher.

Neue Telefonseelsorger gesucht

Seit 2003 gibt es neben der telefonischen auch eine Chat-Beratung, die insbesondere von 20- bis 40-Jährigen in Anspruch genommen werde. Auch dafür werden neue Ehrenamtliche eingesetzt. Im September beginnt ein neuer Ausbildungskurs der katholischen Telefonseelsorge Stuttgart, wofür noch Männer und Frauen gesucht werden, die älter als 23 Jahre sind. Telefonische Anmeldung bei Ruf und Rat unter Telefon 07 11 / 2 26 20 55. Ein Info-Abend findet am 22. Juni, 18 Uhr, im Rupert-Mayer-Haus, Hospitalstraße 26, in Stuttgart-Mitte statt. Bei der evangelischen Telefonseelsorge starten die neuen Kurse im Januar. Die Telefonseelsorge ist unter den Nummern +49 800 111 0 111 und +49 800 111 0 222 erreichbar.