Kolumnist KNITZ über eine gar nicht so ferne Zeit, als Gespräche über größere Distanzen noch ins Geld gingen.
Unlängst wurde KNITZ von einer jungen Kollegin gefragt, wie sie jemanden telefonisch erreichen könne. Er gab die Nummer weiter – und fügte scherzhaft hinzu: „Aber Obacht, das ist ein Auswärtsgespräch.“
In dem Moment begann es bei KNITZ zu rattern: Kann die junge Kollegin den Scherz von KNITZ überhaupt goutieren? Ist ihr bekannt, dass Telefongespräche über eine größere Distanz vor gar nicht so langer Zeit ganz schön teuer waren? Und: Hat jemals jemand einen Abgesang auf Auswärtsgespräche angestimmt?
Heute quatschen wir übers Internet – und dem ist es egal, ob unser Adressat in Oppelsbohm oder im Oman hockt.
Gibt man bei Google „Ferngespräche“ ein, landet man zuvorderst bei einem Podcast des Radioeins-Moderators Holger Klein, der sich mit Kolleginnen und Kollegen aus fernen Ländern über Gott und die Welt unterhält. Allein schon deshalb, findet KNITZ, ist es an Zeit, auf die Herkunft des Begriffs zu sprechen zu kommen. Besser spät, als nie.
Bei Auswärtsgesprächen wurde Papa nervös
Er will die Sache an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn Mama Ferngespräche führte, dann wurde Papa nervös. Er begann durch die Wohnung zu tigern, zeigte nach spätestens zwei Minuten auf die Uhr, wie ein Fußballschiedsrichter, der Spielverzögerung anmahnt.
Dabei musste die Ferne gar nicht weit weg sein. Es reichte schon, wenn Mama eine Bekannte anrief, die eben nur durch das Wählen einer Vorwahl zu erreichen war, was durchaus im Nachbarflecken sein konnte, der zu einer anderen Stadt gehörte.
Für Papa war es ein Leichtes auszumachen, wenn Mama in die Ferne schweifte: Dann musste sie die Wählscheibe am Telefon besonders oft drehen. Oje, Wählscheibe, das ist ja noch so ein Relikt, das KNITZ eigentlich erklären müsste.
Ein Auswärtsgespräch, vor allem, wenn der Empfänger in einem anderen Land saß, führte man nicht einfach so. Es gab Leute, die strukturierten ihren Tag danach. Da wartete man im Büro, bis die Belegschaft in den Feierabend gegangen war – und griff erst dann zum Hörer, etwa um den Kontakt zu der walisischen Urlaubsbekanntschaft nicht abreißen zu lassen, die man auf Malle kennengelernt hatte. Dies ging natürlich nur, so man das Glück hatte, vom Büro aus problemlos ins Ausland wählen zu können. Was keinesfalls selbstverständlich war.
Telefon? Fernsprechapparat hier das Ding
KNITZ will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ihm ist zu Ohren gekommen, dass es fiese Charaktere gab, die solche Gespräche mit Vorliebe von den Apparaten der Kollegen aus geführt haben sollen. Man konnte ja nie wissen, ob doch jemand kontrolliert.
Als noch nicht jede und jeder ein Handy besaß, war das Telefon im Haushalt heiß begehrt. Nicht umsonst hörte es auf die stolze Bezeichnung Fernsprechapparat.
Wenn etwa ein heranwachsender Herr versuchte, mittels Telefon mit einer Dame anzubandeln und sich das Geflüster arg in die Länge zog, konnte es passieren, dass die Mama es dem Papa gleich tat und um ihn herumtigerte. Es hätte ja sein können, der Papa ruft vom Büro aus an. Um sich zu erkundigen, ob das Abendessen bereits auf dem Herd steht. Oder einfach nur, um zu schauen, ob die Leitung frei ist.