Die Verbrecher suchen sich bevorzugt Senioren als Opfer für ihre perfide Vorgehensweise aus. Foto: dpa

Geben sich Telefonbetrüger als Polizisten aus, stecken meist organisierte Banden hinter dieser Betrugsmasche, sagt Martin Raff vom Polizeipräsidium Reutlingen. Den Hintermännern ist schwer beizukommen, sie halten sich vorwiegend im Ausland auf.

Kreis Esslingen - Seit Anfang August registriert die Polizei in der Region Stuttgart eine Häufung von Telefonanrufen, in denen sich Betrüger als Polizeibeamte oder andere Amtspersonen ausgeben. Mit dieser Masche versuchen sie, vor allem Senioren zu ängstigen und dazu zu bewegen, ihnen Bargeld oder Schmuck auszuhändigen sowie Geld zu überweisen. Beispielsweise wurden am Donnerstag, 16. August, beim Polizeipräsidium Reutlingen allein aus dem Landkreis Esslingen insgesamt mehr als 15 solcher Fälle angezeigt. Martin Raff vom Polizeipräsidium Reutlingen spricht über die Vorgehensweise der Täter, ihre perfiden Tricks und die Mittel der Polizei, um diesen Betrügern das Handwerk zu legen.

Herr Raff, falsche Polizisten versuchen, vor allem ältere Menschen um ihr Hab und Gut zu bringen. Wie gehen die Täter vor? Welche perfiden Tricks wenden sie an?

Bei der üblichen Vorgehensweise „informieren“ die Täter in einem Telefonanruf die Senioren über angeblich festgenommene Mitglieder einer Einbrecherbande, bei denen eine Liste mit dem Namen des potenziellen Opfers vorgefunden worden sein soll. Das Opfer wird gezielt in Aufregung versetzt und wird nach in der Wohnung befindlichen Wertgegenständen ausgefragt, gegebenenfalls auch nach Bankguthaben. Abhängig von den Antworten des Opfers folgen weitere Hinweise und Anweisungen des Telefonbetrügers, der vorgibt, Polizeibeamter zu sein.

Damit sind die Täter aber noch nicht am Ziel.

Nein, denn das Opfer wird in den meisten Fällen an einen zweiten Täter, beispielsweise einen angeblichen Vorgesetzten, weiterverbunden. Die Opfer werden teilweise stundenlang in der Leitung gehalten und über Tage hinweg „betreut“. Ein wesentlicher Bestandteil im Vorgehen der Täter ist dabei das sogenannte Call-ID-Spoofing. Dabei manipulieren die Täter durch technische Tricks ihre Rufnummern so, dass beim Angerufenen beispielsweise die Notrufnummer 110 oder die Nummer der örtlichen Polizeidienststelle angezeigt wird – obwohl die Anrufer zumeist aus dem Ausland agieren.

Und wie kommen die Gauner letztlich an ihre Beute?

Sind Wertgegenstände im Haus, werden die Opfer angewiesen, diese in einen Beutel zu packen und einem weiteren Täter vor Ort zu übergeben – teilweise sollen die Beutel nur aus dem Fenster geworfen werden. Den Opfern wird vorgegaukelt, dass ihr Hab und Gut in Gefahr sei und daher die Wertgegenstände bis zur Festnahme der noch auf der Flucht befindlichen Täter von einem Kollegen sicher verwahrt werden.

Und wie kommen sie an das Geld von Bankkonten?

Bei vorhandenem Bankguthaben werden Bankmitarbeiter von den Tätern als Mitglieder der Bande bezeichnet, die das Geld von den Konten der Opfer abheben oder Wertgegenstände aus Schließfächern entwenden. Das Opfer wird von den Telefonbetrügern angewiesen, vorhandene Kontenguthaben abzuheben beziehungsweise die Wertgegenstände aus den Schließfächern zu entnehmen und nach Hause zu bringen. Danach folgt ebenfalls eine Abholung durch die Täter unter dem Vorwand der vorübergehenden Sicherung beziehungsweise Überprüfung, ob die Banknoten gegen Falschgeld ausgetauscht wurden. Opfer wurden auch schon angewiesen, vorhandenes Kontoguthaben auf ein ausländisches – von den Tätern eingerichtetes – „Sicherungskonto der Polizei“ zu überweisen.

Warum suchen sich die Verbrecher bevorzugt ältere Menschen als Opfer aus?

Ältere Menschen sind mit Blick auf staatliche Organe oftmals vertrauensseliger. Die Autorität eines Polizeibeamten wird in der Regel eigentlich nicht angezweifelt. Gerade dieses Ausnutzen des Vertrauens in die staatliche Gewalt ist das Perfide an dieser Betrugsmasche.

Werden die Opfer zuvor ausgekundschaftet?

Nein, die Täter arbeiten vielmehr Telefonverzeichnisse einer Stadt oder Region nach Vornamen durch, welche eher auf ältere Menschen hindeuten. Dann telefonieren sie die Anschlussinhaber so lange ab, bis ein Opfer auf die Täter eingeht.

Welche Möglichkeiten haben die Ermittler, um den Tätern auf die Schliche zu kommen?

Zur Bekämpfung des Phänomens haben die Polizeidienststellen bundesweit spezielle Ermittlungsgruppen eingerichtet. Bei bekannt gewordenen Taten folgt ein bundesweiter und zum Teil internationaler Informationsaustausch, um Tatzusammenhänge darstellen zu können. Ziel aller Ermittlungen ist die Festnahme der Geldabholer und später – nach intensiven Folgeermittlungen – die Identifizierung der Hintermänner und sonstiger Tatbeteiligter.

Gibt es ein Beispiel für eine erfolgreiche Ermittlung?

Ein Beispiel ist die Festnahme eines sogenannten Keilers im marokkanischen Casablanca im Oktober vergangenen Jahres. Keiler sind die Köpfe der Banden, die aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, des Wissens über die sozialen Gepflogenheiten in Deutschland und unter Verwendung technisch manipulierter Telefonnummern bei den Senioren anrufen und, indem sie sich als Polizeibeamte ausgeben, das Vertrauen der späteren Opfer erschleichen. Anstoß für diesen bundesweit erstmaligen Ermittlungserfolg war der Betrug an einer damals 62-jährigen Frau aus Mössingen im März 2017, die nach einem Anruf eines angeblichen Polizeibeamten mehrere 10 000 Euro an die Betrüger übergab.

Wie lief die Polizeiarbeit in diesem Fall ab?

Den Ermittlern der Kriminalpolizei unseres Polizeipräsidiums gelang es zunächst, die Spur der vorwiegend im Raum München ansässigen Betrüger aufzunehmen. In enger Zusammenarbeit mit den Polizeipräsidien München und Oberbayern Nord konnten dann im April 2017 mehrere Tatverdächtige festgenommen werden. Durch weitere Ermittlungen kam man schließlich dem damals 30-jähriger Kopf der Bande auf die Spur und konnte ihn am Flughafen Casablanca durch marokkanische Behörden festnehmen lassen.

Welcher Mittel bedienen sich die Kriminalbeamten, um den Tätern auf die Spur zu kommen?

Zu Einzelheiten des grundsätzlichen polizeilichen Vorgehens kann ich Ihnen aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten leider keine detaillierteren Angaben machen.

Ist bekannt, wie die Betrüger organisiert sind? Stecken Banden dahinter?

Es handelt sich um organisierte Banden, die meist aus türkischen Callcentern agieren. Hintermänner sind oft perfekt deutsch sprechende, türkische Staatsangehörige, die in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert sind, zum Teil haben diese aber auch die deutsche Staatsangehörigkeit. In die Türkei sind sie ausgewandert, weil sie oftmals mit dem deutschen Gesetz in Konflikt geraten sind. In Deutschland gibt es Koordinatoren oder Ansprechpartner, welche die Abholer rekrutieren und den Transport der erbeuteten Gelder oder Wertgegenstände in die Türkei organisieren.

Haben die falschen Polizisten inzwischen die Enkelbetrüger als die Hauptbetrugsmasche abgelöst?

Nein, nachdem im Laufe des vergangenen Jahres die Fallzahlen im Bereich des Enkeltricks stark zurückgegangen waren, ist dieses Phänomen im Laufe dieses Jahres bedauerlicherweise wieder verstärkt aufgekommen.