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Nach Tagen der Ruhe ist es laut Augenzeugenberichten am Sonntag in Teheran wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und iranischen Sicherheitskräften gekommen.

Hamburg/Teheran - Nach Tagen der Ruhe ist es laut Augenzeugenberichten am Sonntag in Teheran wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot anrückte, setzte den Angaben zufolge Tränengas gegen tausende Anhänger von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi ein. Auch ein Bus mit den berüchtigten Basidsch-Milizen wurde gesehen. Die Polizei riegelte das Areal weiträumig ab, die Demonstranten zogen ab. Es waren die ersten Straßenproteste seit mehreren Tagen. Da politische Kundgebungen verboten sind, wagen sich kaum noch Oppositionelle auf die Straße.

Die Demonstranten waren trotz Verbots der Behörden in die Innenstadt geströmt, um der 25 Toten bei früheren Protesten nach den umstrittenen Wahlen vom 12. Juni zu gedenken. Ziel war offenkundig die zentrale Ghoba-Moschee, wo eine Trauerfeier für den 1981 bei einem Bombenanschlag getöteten Ajatollah Mohammed Beheschti stattfand, der in den 70er Jahren auch Chefprediger der Hamburger Moschee war. "Beheschti, wo bist du", riefen die Demonstranten, "Mir Hussein wurde alleingelassen".

Mussawi wirft dem Innenministerium und dem iranischen Wächterrat vor, an Manipulationen beteiligt gewesen zu sein, die zur Wiederwahl des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad geführt hätten. Der oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei wies die Forderung von Mussawi nach einer unabhängigen Überprüfung der Ergebnisse der Wahl erneut zurück. "Ich fordere beide Seiten auf, die Jugend nicht emotional aufzustacheln, die Menschen nicht gegeneinander aufzuhetzen und die Einheit der Nation nicht weiter zu beschädigen", warnte Chamenei.

Nach Forderungen von US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die demokratischen Rechte der Iraner zu achten und die iranischen Nuklearpläne zu beenden, attackierte Ahmadinedschad den Westen scharf. "Diesmal wird die iranische Nation entschieden und klar antworten, so dass ihr (der Westen) beschämt seid und bereut", drohte er. Offenkundig mit Blick auf den Atomstreit fügte er hinzu: "Ohne jeden Zweifel wird die neue iranische Regierung dem Westen entschiedener und machtvoller begegnen." Der frühere iranische Atom- Chefunterhändler Ali Laridschani rief den Westen auf, das "demokratische Leben" in seinem Land zu respektieren. "Der Iran ist nicht der Irak oder Afghanistan."

Mussawi fordert Neuwahlen. Die vom Wächterrat angebotene Teilnahme an der Überprüfung von zehn Prozent der Stimmen in einem Sonderausschuss - ein Novum, wie es hieß - lehnte er ebenso wie der gleichfalls unterlegene Präsidentschaftskandidat Mehdi Karrubi ab. Beide argumentieren, auch die Mitglieder dieses Sonderausschusses seien nicht unparteiisch.

Unterdessen wurden neun örtliche Mitarbeiter der britischen Botschaft im Iran festgenommen. Einige seien am Sonntag aber bereits wieder freigelassen worden, sagte ein Sprecher des britischen Außenministeriums in London. Den Festgenommenen werde vorgeworfen, in die Proteste der Opposition gegen die umstrittenen Wahlen verwickelt zu sein. Der britische Außenminister David Miliband sprach von einer "inakzeptablen, beispiellosen Schikane und Einschüchterung".

Auch die Europäische Union forderte den Iran am Sonntag auf, die Mitarbeiter der Briten sofort freizulassen. "Wir rufen die iranischen Behörden auf, die Festgenommenen zu schützen", sagte der tschechische Außenminister Jan Kohout vor Journalisten auf Korfu. Die EU habe den iranischen Behörden klargemacht, dass eine Fortsetzung der Einschüchterung ausländischer und iranischer Botschaftsmitarbeiter zu einer harten Reaktion führen werde, hieß es weiter in der Erklärung der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft.

Derweil werden immer grausamere Einzelheiten über Aktionen der iranischen Basidsch-Milizen bekannt, die als absolut regimetreu und brutal gelten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International verschleppen sie verletzte Teilnehmer von Protestkundgebungen aus Teheraner Krankenhäusern. Nach anderen Augenzeugenberichten terrorisieren sie die Menschen auch bei nächtlichen Razzien. Ziel seien Bewohner, die - wie in Zeiten der Islamischen Revolution vor 30 Jahren - nachts von den Dächern ihrer Häuser Slogans wie "Gott ist groß" und "Tod dem Diktator" rufen. Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Webseite berichtete, verschaffen sich die Paramilitärs gewaltsam Zugang zu den Häusern, schlagen Bewohner zusammen und feuern Schüsse in die Luft.