Es sind bereits weniger Gänse geworden an der Epplestraße. Bis Weihnachten werden alle geschlachtet sein. Foto: Julia Bosch

Für viele Menschen gehört zu der Zeit zwischen Sankt Martin und Weihnachten auch ein Gänsebraten dazu. Um diese Lust zu stillen, werden auf dem Tegerhof in Stuttgart-Degerloch derzeit Hunderte Tiere geschlachtet. Ein Besuch vor Ort.

Degerloch - Ein gutes halbes Jahr lang durften die Gänse an der Epplestraße zwischen Degerloch und Möhringen herumwatscheln. Für etwa 70 der mehr als 500 Tiere war bereits in den vergangenen Tagen Schluss, alle anderen werden in den kommenden Wochen bis Weihnachten geschlachtet. Aus diesem Grund verbringen die Degerlocher Brüder Friedrich und Patrick Haag derzeit regelmäßig ihre Donnerstag- und Freitagabende damit, zu schlachten. Denn samstags ist der Gänse-Abholtag für die Kunden.

„Von dem Moment, in dem wir die Gans aus dem Stall holen, bis sie ausgeblutet, gerupft und ausgenommen im Kühlraum liegt, vergehen etwa 20 Minuten“, erläutert Friedrich Haag. Dann zeigt er, wie das Schlachten auf dem Tegerhof funktioniert. Zunächst geht der 30-Jährige in das Außengehege der Gänse und schnappt sich ein Tier, um es von den anderen zu trennen und es in den Stall zu bringen. Dabei kann es passieren, dass die anderen Gänse kurz fauchen und die Schlachtkandidatin etwas zappelt. Gänse leben in kleinen Grüppchen zusammen, einigen Experten zufolge trauern die Gruppenmitglieder, wenn ein Tier plötzlich fehlt. Friedrich Haag weiß das, doch darum kümmern kann er sich nicht. Vor wenigen Tagen wurde die letzte der mehr als 500 Gänse reserviert. An Weihnachten wird es auf der Wiese am Gewerbegebiet Tränke keine lebendige Gans mehr geben.

Tiere werden mit Strom betäubt

Bevor die eigentliche Schlachtung beginnt, werden die Tiere mit Strom betäubt. Für etwa sechs bis sieben Sekunden wird der Kopf des Tiers in ein Elektroschockgerät gesteckt. „Dann spürt die Gans nichts mehr“, versichert Friedrich Haag. Anschließend wird der Gans der Hals eingeschnitten. Damit die Tiere vollständig ausbluten, und das ist wichtig, werden die Gänse für einige Minuten an den Füßen über einer Wanne aufgehängt. Was dabei passiert, kann erschreckend wirken, hat aber nichts mit Qualen, sondern mit den zu diesem Zeitpunkt noch intakten Nerven zu tun: Während des Ausblutens zucken die Tiere noch.

Im Anschluss wird es heiß: Für vier bis fünf Minuten kommen die Gänse in die Brühmaschine; einen Behälter mit 60 Grad heißem Wasser. Dann geht es ans Rupfen: Am Hals, der Brust und den Flügeln ziehen die Brüder von Hand die Federn heraus, der Rest wird in einer Rupfmaschine erledigt. Diese kann man sich wie einen Behälter mit Gumminoppen vorstellen, der sich dreht. Wenn die Gans aus der Rupfmaschine herauskommt, ist sie nackt – und es ist wieder Handarbeit gefragt: Kopf und Füße müssen abgetrennt, außerdem die Gans ausgenommen werden. Dazu wird der Unterleib geöffnet und die Innereien werden entfernt. Herz und Leber werden separat gelagert, weil der Kunde diese am Ende zu seiner Gans dazu bekommt. „Für viele ist das eine Delikatesse und eine wichtige Zutat für Soßen“, weiß Haag.

Eine Gans kostet bis zu 100 Euro

Ist die Gans ausgenommen, kommt sie in den zwei Grad kalten Kühlraum. Dort wird sie aufgehängt, gewogen und schließlich vakuumiert verpackt. Die Haags schlachten immer frisch, die Tiere bleiben also maximal zwei Tage im Kühlraum, bevor sie von den Kunden abgeholt werden.

Ein Kilo Gans kostet bei den Degerlocher Brüdern 15,90 Euro. Weil die Tiere zwischen dreieinhalb und sechs Kilo schwer sind, müssen Kunden bis zu 100 Euro für eine Gans hinblättern. Doch die Haags haben freilich auch höhere Kosten als ein Massenbetrieb. Das Futter, das die Gänse auf dem Tegerhof bekommen, stammt von Bauern aus der Region. Einige Geräte, die zum Schlachten notwendig sind, haben die Brüder von ihrem Vorgänger, dem 2017 bei einem Unfall gestorbenen Rolf Wais, übernehmen können, einige Geräte mussten sie selbst kaufen. Preislich bewegen sich solche Maschinen im vierstelligen Bereich.

Die Kunden bekommen ein Rezept

Das Schlachten haben die Brüder übrigens ebenfalls von Rolf Wais gelernt. Bereits mit 15, 16 Jahren hätten sie ihrem damaligen Kumpel geholfen, erinnert sich Friedrich Haag. An sein erstes Mal beim Schlachten hat er kaum noch konkrete Erinnerungen, „aber natürlich wird einem dadurch bewusst, dass es ein Unterschied ist, ob man sich einen Apfel oder eine Gans kauft.“

Spätestens bei der Zubereitung dürfte dies auch allen Kunden klar werden. Denn während man einen Apfel relativ unkompliziert verspeisen kann, braucht es bei einer Gans etwas mehr Vorbereitungszeit: „Bei uns bekommt der Käufer nicht nur eine Gänsebrust, sondern das ganze Tier – inklusive Flügeln, Hals und Keule.“ Wer zum ersten Mal eine Gans zubereitet, braucht dennoch keine Angst zu haben. „Unsere Kunden bekommen ein Rezept, das noch von der Mutter von Rolf Wais, Gerlinde Wais, stammt“, beruhigt Friedrich Haag. „Damit bekommt es jeder hin.“