Von Kathrin BrennerTÜBINGEN. 34 Kinder sitzen auf dem Boden des Tübinger

Von Kathrin Brenner

TÜBINGEN. 34 Kinder sitzen auf dem Boden des Tübinger Kindergartens Sankt Johannes und schauen Teddydoktor Matthias Wecker aufmerksam zu, wie er Eisbär Knut untersucht. Als der 23-jährige Medizinstudent ein Stethoskop hochhält und fragt, was das denn sei, rufen die Kinder, eines lauter als das andere, den Fachbegriff. Wecker erklärt ausführlich jeden einzelnen Untersuchungsschritt, vom Abhören bis zum Spritzen. Die Jungen und Mädchen im Alter von knapp drei bis sechs Jahren sind voll dabei.

 

Eine richtige Spritze bekommt jedes Stofftier, das in der Tübinger Teddyklinik untersucht wird. Ziel dieser von der Fachschaft Medizin der Eberhard-Karls-Universität organisierten Einrichtung ist es schließlich, den Jungen und Mädchen spielerisch die Angst vor dem Arzt zu nehmen. Dazu bringt jedes Kind ein Stofftier mit und überlegt sich, was es für eine Krankheit hat. Behandelt und untersucht wird es dann von den Studenten, die sogar echte Röntgenbilder von Teddybären dabeihaben und diese mit den Kindern besprechen, wenn sich ein Patient angeblich etwas gebrochen hat. Die Tübinger Teddyklinik findet nun schon zum 17. Mal statt, es gibt sie seit 2002.

¸¸Bevor ich Knut die Spritze gebe, sprühe ich ein Spray auf sein Fell - weiß jemand, warum?', fragt Wecker. ¸¸Damit die Stelle ganz sauber ist', ruft ein Mädchen. Dann schiebt der Student die Nadel in Knuts Pfote, begleitet von gespannten Kinderblicken. ¸¸So, das tut jetzt ganz kurz weh, und dann ist es auch schon vorbei', sagt er, zieht die Spritze heraus, tupft die Stelle ab und klebt ein Pflaster darauf. Danach kommt jedes Kind einzeln zu einer der sechs Teddyärztinnen.

Finns Hase Graui war in Afrika, und jetzt ¸¸hat er die Tsetse-Mücke'. Da greift Teddyärztin Theresa Endres gleich mal zum Fieberthermometer. ¸¸39 Grad Fieber, das ist schon sehr hoch', meint sie und schaut in Ohren, Augen und Mund des Stoffhasen, bevor sie ihn abhört. Dann bekommt auch er seine Spritze, und Finn klebt ein buntes Bären-Pflaster auf die Stelle. Endres gibt ihm noch Brausedrops und Gummibärchen als Medizin mit auf den Weg und die Anweisung, dass der Hase nun im Bett bleiben und viel trinken soll. Nebenan bei Teddyärztin Lea Mendler kommt Emelie mit ihrem Reh zum Impfen. Auch das wird erst mal gründlich untersucht. ¸¸Das Herz schlägt ein bisschen schnell', meint Mendler, ¸¸ist dein Reh aufgeregt?' Emelie nickt und lächelt. ¸¸Aber das hat keine Angst vorm Impfen', sagt sie dann und schaut gespannt zu, wie das tapfere Reh seine Spritze ins Fell bekommt.

Ingrid Tachtler weiß, dass die Kinder die Teddyklinik ernst nehmen. ¸¸Heute Morgen waren sie schon nervös', sagt die Leiterin des Kindergartens Sankt Johannes. Für manche Kinder sei es eine richtige Überwindung, zu den Teddyärzten ins Sprechzimmer zu gehen, auch wenn die Kleinen selbst gar nicht untersucht würden. Hinterher seien sie durch das Erlebnis aber doch gestärkt. ¸¸Die Kinder profitieren stark von der Teddyklinik, und das hilft ihnen, wenn sie im wahren Leben zum Arzt müssen', ist Tachtler überzeugt. Ihr Kindergarten wird schon zum zweiten Mal von den Medizinstudenten besucht. ¸¸Hinter der Teddyklinik steht meiner Meinung nach ein sehr durchdachtes Konzept', lobt sie. Nicht nur die Kinder, sondern auch die angehenden Ärzte würden von dieser Einrichtung profitieren.

Matthias Wecker ist im Organisationsteam der Teddyklinik und erzählt, dass diese auch bei den Studenten äußerst beliebt sei. In diesem Semester gibt es 40 bis 50 Teddyärzte. Da die Teddyklinik nur zweimal im Jahr an drei Tagen stattfindet, kommen nicht alle Ärzte zum Zug: ¸¸Wir schauen natürlich, dass gerade diejenigen drankommen, die zum ersten Mal dabei sind. Viele können aber auch gar nicht mitkommen, wenn sie zeitgleich Pflichtvorlesungen an der Uni haben.' Gleichzeitig können aber auch nicht immer alle Kindergärten besucht werden, deswegen gehen die Teddyärzte maximal alle zwei Jahre in denselben Kindergarten. Ihr Material - Spritzen, Nadeln, Tupfer, Untersuchungsgeräte - erhalten sie weitgehend aus Spenden von Unternehmen.

Caroline Deppisch, 21 Jahre alt und im dritten Semester, ist zum ersten Mal bei der Teddyklinik. ¸¸Ich finde, es ist eine tolle Idee, Kindern auf diese spielerische Art den Arzt näherzubringen, denn als Kind hat man ja oft Angst davor - und diese Angst wollen wir den Jungen und Mädchen nehmen', sagt sie. Auch wenn es nicht immer ganz einfach sei, die Aufmerksamkeit der Kinder zu gewinnen, und manche von ihnen sehr schüchtern seien, wie Deppischs Kolleginnen berichten. Trotzdem sind sich die jungen Medizinstudentinnen einig, dass die Teddyklinik viel Spaß gemacht hat und eine interessante Erfahrung war.