Ersatzteile für Mercedes-Benz Lkw aus dem 3-D-Drucker: Der Blick in den Innenraum des 3-D-Druckers zeigt gedruckte Thermostatabdeckungen, die noch mit der Bauplattform verbunden sind. Foto: Daimler AG

Ob Zahnersatz, Prothesen, Lkw-Ersatzteile oder Bauteile für Flugzeuge – immer mehr Firmen setzen auf Produkte aus dem 3-D-Drucker.

Stuttgart - Vor allem in der Luft- und Raumfahrt, der Medizintechnik, aber auch in der Automobilindustrie und im Maschinenbau setzen viele Unternehmen auf 3-D-Druck. Bernhard Langefeld, Partner von Roland Berger und Experte für das landläufig als 3-D-Druck bezeichnete Additive Manufacturing, spricht von einem „Sprung nach vorn“, weil die Technologie nicht mehr nur im klassischen Prototypenbau zum Einsatz komme, sondern mehr und mehr bei der Fertigung von Bauteilen Einzug halte.

Auch die Formel 1 setzt auf 3-D-Druck

Interessant sei die Technologie vor allem dort, wo es um Kleinserien und Bauteile mit besonderen Eigenschaften oder komplexen Strukturen gehe. Auch im Motorsport wie in der Formel 1 oder der DTM sowie in der Schmuckindustrie kämen viele Teile aus dem 3-D-Drucker. Da die Technologie mit steigenden Stückzahlen nicht günstiger werde, müsse man die Kosten im Auge behalten, sagt Langefeld. „Das erste Bauteil zu drucken, kostet genauso viel wie das Tausendste.“

In wenigen Jahren, sind sich die Experten einig, werden in vielen Fabriken neben klassischen Dreh- und Fräsmaschinen auch 3-D-Drucker für Spezialaufgaben stehen. Daimler etwa produziert schon seit fast einem Jahr etliche Lkw-Ersatzteile mit 3-D-Druckern – vom Abstandshalter bis zum Kabelkanal, bislang aus Kunststoff. Seit Anfang August werden auch Teile aus Metall gefertigt und zwar Termostatabdeckungen für ältere Lkw und Unimog, die nicht mehr gebaut werden. Der Konzern verspricht sich davon eine Reduzierung der Lagerkosten bei verbessertem Service für die weltweite Bereitstellung selten benötigter Fahrzeugersatzteile. Deren Produktion sei meist unwirtschaftlich, weil Anlagen und Werkzeuge lange Zeit vorgehalten und gewartet werden müssen.

Auch Siemens nutzt den 3-D-Druck in der Produktion und druckt etwa so genannte Brennerspitzen aus Stahlpulver als Ersatzteile für Gasturbinen. Das reduziert die Reparaturzeit bestimmter Modelle um 90 Prozent, die Reparaturkosten um 30 Prozent. Flugzeugbauer Airbus setzt auf das additive Verfahren sogar zur Produktion von Kabinenteilen in Passagierflugzeugen. Gerade im Flugzeugbau spielen Gewicht und Komplexität eine wichtige Rolle.

Passgenaue Prothesen aus dem Drucker

Interessant sei die Technologie auch beim Thema Individualisierung, sagt Langefeld. Damit meint er nicht nur Spielereien wie Manschettenknöpfe mit den eigenen Initialen, sondern auch die Medizintechnik. Das reicht vom Hüftgelenk über die Kniescheibe bis zu Prothesen, wo via Körperscan das Teil passgenau gedruckt werden kann. Beim Zahnersatz etwa können die Zahntechniker Geometriedaten dem Scan des Kiefers entnehmen und am 3-D-Drucker individuell die jeweilige Krone ohne Werkzeug herstellen.

Zahnkronen können so etwa zu einem Zehntel des Preises der konventionellen Fertigung hergestellt werden, heißt es bei EOS in Krailling bei München, einem führenden Anbieter im industriellen 3-D-Druck von Metallen und Kunststoffen. EOS arbeitet wie andere Hersteller von additiven Fertigungsverfahren – darunter auch SLM, Concept-Laser oder der Ditzinger Maschinenbauer Trumpf – intensiv daran, die Druckprozesse zu optimieren.

Jährliche Wachstumsraten von 25 Prozent

Wo es um Individualisierung oder komplexe Strukturen gehe wie in der Luft- und Raumfahrt, wo auch Einspritzdüsen für Triebwerke oder Luftkanäle von Flugzeugklimaanlagen additiv hergestellt werden, wird 3-D-Druck immer häufiger genutzt. Die Fertigung komplexer Strukturen, funktional integrierter Bauteile und Leichtbaustrukturen seien klare Vorteile des 3-D-Drucks, sagt Stefana Karevska, 3-D-Expertin beim Beratungsunternehmen EY. Sie spricht von einem enormen Anstieg des 3-D-Druck-Marktvolumens – mit Wachstumsraten von 28 Prozent. „Wir erwarten, dass sich dieser Trend mit einer jährlichen Wachstumsrate von mindestens 25 Prozent bis 2020 fortsetzen wird.“

In den letzten fünf Jahren hätten Unternehmen vermehrt Erfahrungen mit 3-D-Druck gesammelt. Einer Umfrage von EY zufolge fertigen bereits heute fünf Prozent der Firmen – befragt wurden 900 Unternehmen in ausgewählten Ländern, davon 200 in Deutschland – Endprodukte und Bauteile mittels 3-D-Druck. Der Anteil werde sich in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. 38 Prozent der Firmen sehen 3-D-Druck als Teil ihrer Serienfertigung bis 2021. Insgesamt wird laut Schätzungen weltweit zehn Milliarden Euro Umsatz mit 3-D-Druck gemacht. Allein die deutschen Unternehmen setzen knapp eine Milliarde Euro damit um.

Die Fertigung von ganzen Häusern wäre zu teuer und aufwendig

3-D-Drucker galten lange als Spielerei für Hobbytüftler. So wurden in den Anfangsjahren etwa kleine Spielzeuge aus Plastik gedruckt. Denkbar ist vieles, vom eigenen Selfie nach einem Körperscan bis zu individualisierten Nudeln – je nach Material. Mittlerweile kann alles Mögliche mit 3-D-Druckern hergestellt werden. In China und Russland kamen sogar ganze Schnäppchen-Häuser aus der Tube – wie Sahne aus der Spritztüte eines Konditors fließt dabei Mörtel aus dem Druckkopf der Maschine, so dass Schicht für Schicht die Außenhülle entsteht. „Unternehmen aus fast jeder Branche testen die Technologie und versuchen Anwendungen und Vorteile für sich zu identifizieren“, sagt Expertin Karevska. Die Fertigung von ganzen Häusern werde mittelfristig zu teuer und aufwendig bleiben, auch wenn das Verfahren zu revolutionären, disruptiven Entwicklungen in der Baubranche führen könne. Es gehe hier aber zunächst um Bauteile.

3-D-Druck taugt nicht für Massenprodukte

Ähnlich sieht es auch Langefeld. Gegen eine Massenverbreitung spricht der Preis. Eine Anlage, um Metallteile zu drucken, beziffert er auf rund eine Million Euro. Zudem ließen sich damit keine großen Teile drucken. „Für Massenprodukte ist der 3-D-Druck zurzeit nicht die geeignete Technologie“, sagt Experte Langefeld – auch nicht für Autos oder Häuser. Dagegen sprechen nicht nur der Preis und die Größe, sondern auch die Tatsache, dass nie das gesamte Auto oder Haus gedruckt wird, sondern immer nur Teile. 3-D-Drucker verarbeiten immer nur ein Material, während Autos oder Häuser aus einem Mix verschiedenster Materialien bestehen.

Von einer Revolution, die herkömmliche Herstellungsverfahren ablöst, will keiner sprechen, aber von einer wichtigen Ergänzung. 3-D-Druck sei auch für die deutschen Maschinenbauer ein spannendes Thema bei dem es viel zu entdecken gebe, formuliert es Rainer Gebhardt, Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Das können etwa Werkzeuge oder Formen sein oder gar der individualisierte Laufschuh, bei dem etwa Maschinenbauer Manz und Adidas zusammenarbeiten.

3-D-Druck kehrt Herstellungsverfahren um

Bislang wird bei der Herstellung von Produkten Material durch Bohren, Schleifen oder beispielsweise Fräsen abgetragen, bis das Endprodukt übrig bleibt. Beim 3-D-Druck wird dagegen Material Schicht für Schicht aufgetragen (daher der Begriff „Additive Manufacturing“) – im Gegensatz zu bisherigen Verfahren praktisch ohne Abfall.

Die Schichten – Werkstoffe wie Titan, Kunststoff oder Keramik – werden mit Hilfe von Lasern oder Infrarotlicht Schicht für Schicht verschmolzen. Sie sind nur hundertstel Millimeter dick und daher ist das Verfahren äußerst präzise. Auch komplizierte Wabenstrukturen sind möglich, die durch Bohren oder Spritzen nicht herstellbar wären. Konstrukteure haben mehr Freiheit, weil sich dabei so gut wie jede beliebige Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit erreichen lässt.