Moderne Webereien sind längst automatisiert. Nun werden auch die Textilien selbst immer intelligenter. Foto: Südwesttextil

Ob im Flugzeug- oder Automobilbau, bei Straßenbauprojekten oder im Operationssaal – in immer mehr Branchen kommen technische Textilien zum Einsatz. Die Auftragsbücher der Textilhersteller sind voll – sogar Bekleidungshersteller orientieren sich in diese Richtung um.

Stuttgart - Die Textilindustrie im Land setzt zunehmend auf den Einsatz technischer Fasern. „Textil ist das neue Metall“, erklärte der Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas am Donnerstag in Stuttgart. Schon heute würden technische Textilien in vielen Bereichen schwerere Bestandteile aus Metall ersetzen. Als Beispiele nannte Haas die Schaufeln einer Flugzeugturbine, die mittlerweile aus Carbonfasern hergestellt werden können, die mit einer Schicht Harz überzogen werden. Auch beim Brückenbau kämen vermehrt High-Tech-Fasern zum Einsatz: „Textilien rosten nicht und halten länger“, sagte Haas.

„Wir sind eine Schlüsseltechnologie für zahlreiche andere Branchen“, ergänzte der Verbandspräsident Bodo Bölzle. Man entwickle Ideen für Autos, Flugzeuge, Gebäude, Brücken, Operationssäle, für mehr Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Komfort im Alltag. „Egal um welche großen Themen es geht – Digitalisierung, E-Mobilität, Umweltschutz, Gebäude und Straßen von morgen und Gesundheit einer alternden Gesellschaft – Textil hat auf all diese Herausforderungen Antworten“, so Bölzle.

Bekleidungshersteller bewerten ihre Lage eher schwierig

Bölzle selbst ist Geschäftsführer der Amann-Gruppe, einem 1854 gegründeten Hersteller für Nähfäden und Stickgarne aus Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg). Sein Unternehmen habe ein silber-beschichtetes Polyester-Garn entwickelt, das Stickereien zum Leuchten bringen kann, etwa als Schriftzüge auf Feuerwehranzügen. Dem Bettdecken- und Kissenhersteller Centa-Star gelinge es ohne den Einsatz von Bioziden, nur durch negative Aufladung, Allergene wie ein Magnet aus Decken anzuziehen und unkompliziert herauszuwaschen.

Der Verband hat in einer Unternehmensumfrage die Stimmung in den Betrieben der Textil- und Bekleidungsindustrie im Südwesten abgefragt. Während Bekleidungshersteller, die für den Einzelhandel oder direkt für Kunden produzieren, ihre Lage als eher schwierig bewerten, sind Industriezulieferer optimistischer. Ein Beleg dafür sei die Zahl der Auftragseingänge, erklärte Bölzle: Die Orders würden den Vorjahrestrends folgend im Textilbereich steigen und im Bekleidungssektor sinken.

In der Branche arbeiten 24 000 Beschäftigte

Zur Branche zählen Spinnereien, Webereien und Veredlungsbetriebe genauso wie Zulieferer für die Automobil- und Bauindustrie sowie Hersteller von medizinischen Textilien, Bekleidung, Heimtextilien und Bettwaren. Die rund 180 im Verband organisierten Unternehmen beschäftigten 2016 rund 24 000 Mitarbeiter und erzielten einen Gesamtumsatz von 7,33 (Vorjahr: 7,37) Milliarden Euro. Während die Textilhersteller um 6,5 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zulegten, büßten Bekleidungsunternehmen 3,5 Prozent auf fünf Milliarden Euro ein. Bölzle sieht den Grund dafür vor allem in der wachsenden Konkurrenz des Onlinehandels. Dies sei allerdings zur Zeit eher ein Handels- als ein Herstellerproblem. Immerhin falle die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bei der Mehrzahl der befragten Unternehmen positiv aus.

Die Branche befindet sich wie andere auch in einem strukturellen Wandel. Viele Hersteller hätten bereits reagiert und durch ihre Innovationen dazu beigetragen, dass der Textilstandort Baden-Württemberg in Deutschland führend sei.

Dass Bekleidungshersteller auch komplett auf andere Textilien umsatteln können, zeigt das Beispiel der Fritz Moll Textilwerke in Altshausen (Landkreis Ravensburg): Das kleine Unternehmen produziert seit 151 Jahren Strickwaren. Heute werden dort aber keine Schals oder Pullover mehr gestrickt, sondern Haltebänder von Atemmasken für Menschen, die gesundheitliche Probleme durch Schnarchen haben.