Prüfingenieure sollen über Jahre HU-Plaketten ohne korrekte Begutachtung vergeben haben, um sich zu bereichern Foto: dpa-Zentralbild

8500 Fahrzeuge im Raum Stuttgart sind zur Nachuntersuchung bestellt worden, weil ein Prüfingenieur massenhaft HU-Plaketten ohne richtige Kontrolle vergeben hatte. Das Land hat jetzt begonnen, die Halter für die Mehrkosten zu entschädigen.

Stuttgart - Rund vier Jahre mussten betroffene Autobesitzer warten. Doch jetzt fließt Geld. 8500 Fahrzeuge im Großraum Stuttgart waren 2012 zur Nachuntersuchung bestellt worden. Ein selbstständiger Prüfingenieur, der für die Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) unterwegs war, hatte massenhaft Plaketten der Hauptuntersuchung (HU) vergeben, ohne die Autos richtig begutachtet zu haben. Das geschah wohl teils mit Wissen der Fahrzeughalter, in vielen Fällen aber ohne deren Mitschuld. Bei den Nachprüfungen wies jedes zweite Auto teils schwere Mängel auf. Um die Frage, wer die Kosten in Höhe von 53,50 Euro übernimmt, war von Anfang an ein Streit entstanden.

Der ist jetzt beigelegt. Nach einem entsprechenden Gerichtsurteil hat das Verkehrsministerium, für das die Überwachungsgesellschaft die hoheitliche Aufgabe der HU übernommen hat, die Kostenübernahme signalisiert. „Wir haben Anfang Dezember mit der Erstattung der Kosten für die Nachprüfungen begonnen“, sagt Ministeriumssprecherin Julia Pieper. Aufgrund der vorliegenden Forderungen rechne man zunächst mit einer Gesamtsumme von etwa 15 000 Euro. Das bedeutet, das bisher nur rund 300 der betroffenen Autobesitzer Ansprüche beim Ministerium angemeldet haben. Es könnten freilich noch Tausende mehr werden.

Land will sich das Geld zurückholen

Allerdings hofft das Land, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben. Denn haftungsrechtlich verantwortlich für die Umtriebe des Prüfers ist nach Meinung des Verkehrsministeriums die GTS. Das Land hat deshalb am Karlsruher Landgericht schon vor einem Jahr eine Feststellungsklage eingereicht. Damit soll die GTS verpflichtet werden, den Schaden, der dem Steuerzahler entstanden ist, zu ersetzen. Die Überwachungsgesellschaft lehnt das ab. „Sobald über die Feststellungsklage rechtskräftig entschieden ist und die genaue Höhe der Aufwendungen des Landes feststeht, werden wir die Ansprüche beziffern und Erstattung verlangen“, kündigt die Sprecherin an. Noch hat das Gericht aber nicht geurteilt.

Das Ministerium als Aufsichtsbehörde hat aus dem spektakulären Fall Konsequenzen gezogen. Die Kontrolle der Überwachungsgesellschaften ist verschärft worden. Aufsichtsbesuche, verdeckte Tests oder regelmäßige Berichte gehören dazu. Seit dem Vorfall 2012 habe es „keinen annähernd vergleichbaren Fall“ mehr gegeben. Die GTS stehe unter besonderer Beobachtung.

Aus gutem Grund. Denn der Stuttgarter Skandal ist in seinen Ausmaßen zwar bisher einzigartig, aber dennoch nicht der einzige. In mehreren anderen Fällen kam es wegen auffälliger Untersuchungen zu Anklagen gegen Prüfingenieure – allesamt ebenfalls für das kleine Unternehmen GTS tätig. Der größte Brocken könnte dabei erst noch bevorstehen. Bereits seit mehreren Jahren ermittelt nämlich die Tübinger Staatsanwaltschaft gegen einen weiteren GTS-Prüfer. Der Aufwand ist enorm, denn dem Vernehmen nach geht es um bis zu 39 000 verdächtige Fahrzeugprüfungen. Eine Zahl, die niemals zur Anklage kommen kann und deshalb eingedampft werden muss, so wie es auch beim Stuttgarter Fall gewesen ist. Jetzt kommt Bewegung in die Sache. Die Ermittlungen stehen offenbar unmittelbar vor dem Ende. Anfang nächstes Jahr, so eine Sprecherin, werde wohl darüber entschieden, ob es zu einer Anklage komme. Falls ja, könnte die Dimension des spektakulären Stuttgarter Falls bei weitem übertroffen werden.

Prüfunternehmen darf weitermachen

Trotz der vielfältigen Auffälligkeiten muss die GTS derzeit offenbar nicht befürchten, den Prüfauftrag vom Land zu verlieren. „Die rechtlichen Hürden für den Entzug der Anerkennung einer Überwachungsorganisation sind sehr hoch“, sagt Ministeriumssprecherin Pieper. Bisher gebe es „keine Erkenntnisse, die einen Entzug der hoheitlichen Befugnisse der Überwachungsorganisation rechtfertigen würden“. Man habe sorgfältig überprüft, ob die GTS die rechtlichen Vorgaben erfülle. Offenbar ist man zum Schluss gekommen, dass dies der Fall ist.

Vom finanziellen Schaden abgesehen lässt sich schwer beziffern, welche Probleme durch die Betrügereien verursacht worden sind. Letzten Endes waren Tausende Fahrzeuge auf der Straße, die keine HU-Plakette hätten bekommen dürfen, darunter echte Schrottkisten. Ob es dadurch zu Unfällen gekommen ist, lässt sich kaum ermitteln.