Über 90 Prozent seines Körpers hat sich der Amerikaner Matt Gone verzieren lassen. Auf der Tattoo-Convention in Karlsruhe gibt es Körperschmuck aller Art zu bewundern - wir haben unter anderem Besucher nach ihrem ersten Tattoo gefragt. Foto: dpa

Noch bis zu diesem Sonntag kann man sich in Karlsruhe tätowieren lassen – oder auch nur schauen, was es in der Branche Neues gibt. Experten raten, sich den Schritt gut zu überlegen.

Karlsruhe - Schauspieler haben sie, bei Sportlern scheint es gar nicht mehr ohne zu gehen, und auch im Alltag sieht man sie immer häufiger: Tätowierungen sind in. Allein in Deutschland sind fast zehn Prozent der Bevölkerung tätowiert. Das ergab eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem vergangenen Jahr. Selbst der Steinzeitmensch Ötzi hat über 60 Tätowierungen auf der Haut getragen – zur Akupunktur, wie Wissenschaftler vermuten.

Bei den Besuchern der „Tattoo-Convention“ in Karlsruhe können medizinische Beweggründe zum Tätowieren mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Am Freitag startete die 20. Ausgabe der Messe. Matthias Neumann, Pressesprecher und Moderator der dreitägigen Veranstaltung, rechnet mit guten Besucherzahlen: „In den letzten Jahren waren wir immer ein Besuchermagnet.“ Nach der Öffnung am Freitagmittag blieb die magnetische Wirkung allerdings noch aus. „Freitags ist nie so viel los“, sagte Neumann.

Waren die Gänge in der Festhalle in Karlsruhe-Durlach am Freitag noch relativ leer, tummelten sich auf den Liegen der Tätowierer schon zahlreiche Freiwillige, die sich nicht scheuten, ihren Körper vor den Augen der anderen Besucher mit Farbe verzieren zu lassen. Bei den über 10 000 Stichen, die eine Tätowiermaschine pro Minute schafft,blieben sie aber erstaunlich ruhig. EineBesucherin las sogar entspannt ein Buch, während ihr ein Tätowierer das gewünschte Motiv in den Oberarm stach.

Tätowierer kamen aus Bali und Thailand

80 Tätowierer aus der ganzen Welt konnten Matthias Neumann und sein Team nach Karlsruhe locken. Selbst aus Bali und Thailand kamen sie in den Südwesten Deutschlands. In dem internationalen Angebot sieht der Moderator einen großen Vorteil der Messe. „Hier werden sämtliche Stile bedient, auf die sich die verschiedenen Künstler spezialisiert haben“, sagte er. Der selbst mehrfach tätowierte Neumann würde nur zum Spezialisten gehen, wenn er einen speziellen Stil wünschen würde.

Die internationalen Tätowierer präsentieren alle möglichen Motive in den dicken Ordnern an ihren Ständen. Besonders begehrt seien dieses Jahr Bilder, die nahezu fotorealistisch wirken, erklärte Neumann. Ein Eindruck, der sich beim Gang über die Messe bestätigt: An einem Stand sind Zeichnungen zu sehen, die von schwarz-weiß Fotografien kaum zu unterscheiden sind. Aber auch sogenannte „Sugarskulls“ sind angeblich seit einiger Zeit beliebt. Das sind knallbunte Totenköpfe, die als Masken beim mexikanischen Feiertag „Dia de los muertos“ (Tag der Toten) getragen werden.

Zwischen die tätowierten Besucher der Messe mischen sich auch immer wieder Gäste, deren Haut noch im Originalzustand ist. Ein Indiz für Matthias Neumanns These: „Tattoos sind salonfähig geworden.“ Die eingangs erwähnten Sportler dürften daran nicht ganz unschuldig sein. Gerade deshalb warnt der Neumann vor zu schnellen Entscheidungen, sich tätowieren zu lassen: „Zur Zeit ist es Trend, sich die Hände und den Hals tätowieren zu lassen. Professionelle Tätowierer schicken junge Leute sofort wieder heim, wenn die sich ihr erstes Bild am Hals stechen lassen wollen.“ Er rät dazu, davor „lieber mal nachzudenken“.

In der Altersklasse von 25 bis 34 Jahren besonders beliebt

Gerade in der Altersklasse von 25 bis 34 Jahren sind Tätowierungen äußerst beliebt. Über 22 Prozent dieser Gruppe seien laut der GfK-Studie tätowiert. Und: Selten bleibt es bei lediglich einem Motiv. Der Trend zu mehreren Bildern ist auch in Karlsruhe zu sehen. Der Einfachheit halber zählt die Karlsruher Tätowiererin Corry Kähny die Motive auf ihren Armen als jeweils eins.

Trotzdem schafft sie es in ihrer Zählung auf insgesamt zwanzig Stück über den kompletten Körper verteilt. Angefangen hat es bei ihr mit Engelsflügeln, die sie sich auf ihren Rücken stechen ließ. Die Bedeutung dahinter: „Meine Oma und ich haben immer Engelfiguren gesammelt. Das Tattoo erinnert mich an sie.“ Aber nicht für jeden hat das Tattoo eine persönliche Bedeutung. Julia Männle aus Offenburg gibt zu: „Ich fand die Tattoos einfach schön.“ Zwei Motive hat die 21-Jährige schon, in Karlsruhe soll das dritte folgen.

Noch bis Sonntagabend ist die Messe offen für Besucher. Der Eintritt kostet zehn Euro. Neben neuen Tattoos können die Interessierten auch andere Dinge mit nach Hause nehmen: Tätowierwerkzeug gibt es genauso wie Kleidung. Wer besonders stolz auf eines seiner Kunstwerke ist, kann an einem der „Tattoo-Contests“ teilnehmen lassen. Eine Jury beurteilt dann die Qualität.

Einer der Höhepunkte dürfte sicherlich Matt Gone sein. Der Amerikaner, der in Karlsruhe einen eigenen Stand hat, gehört zu den am meisten tätowierten Menschen der Welt, angeblich sind über 90 Prozent seines Körpers voll. Selbst seine Augäpfel und Zunge hat er sich tätowieren lassen und über seinen Kopf zieht sich ein Schachbrettmuster. Ein Anblick, den nicht jeder verträgt.